Zürich

Glattzentrum macht Lädelibetreiber mit Parkplatz-Werbung hässig

Küsnacht

Glattzentrum macht Lädelibetreiber mit Parkplatz-Werbung hässig

· Online seit 15.07.2023, 11:07 Uhr
Das Zürcher Glattzentrum will in Küsnacht Kundinnen und Kunden anlocken, indem es für sein Parkplatz-Angebot wirbt. Verkäuferinnen und Verkäufer im Dorf finden die Werbeaktion vom Glatt nicht so «glatt». Sie bezeichnen diese als Frechheit und Affront für das lokale Gewerbe.
Anzeige

Die Parkplatzsituation in der Gemeinde Küsnacht ist angespannt. Der grosse Parkplatz gleich neben dem Bahnhof ist bis voraussichtlich Anfang 2024 teilgesperrt. Grund dafür ist der Bau einer neuen Unterführung. Das Glattzentrum mischt sich mit gezieltem Marketing in die Parkplatz-Krise ein.

«Liebe Küsnachter*innen: Unsere Parkplätze sind schon fertig und gratis», prangt auf zwei Plakaten auf dem Perron des Bahnhofs Küsnacht. Dazu steht: «Über 4500 Gratisparkplätze. Bis grad im Glatt.» Mit den gelb unterstrichenen Lettern auf rotem Grund sticht der Werbespot ins Auge.

«Ein Affront für alle Lädelibesitzer»

Auch mobil wirbt das grosse Warenhaus aus Wallisellen in der Seegemeinde für sein Angebot. «Heute auf dem Weg zur Arbeit fuhr vor mir gerade ein Bus, auf dem hinten dieses Plakat prangte», berichtet eine Boutique-Angestellte aus Küsnacht, die anonym bleiben will, am Donnerstag gegenüber ZüriToday. Sie habe sich sehr darüber gewundert, dass das Glattzentrum solche Werbung in Dörfern, die mit dem Lädelisterben kämpften, nötig habe. «Im Prinzip ist das ein Affront für alle Lädelibesitzer hier im Dorf», empört sie sich.

Sauer stösst das Plakat auch Rita Bersinger auf. Sie ist Modeberaterin in der Boutique Ledergerber. «Als ich das Plakat sah, dachte ich, dass das doch nicht wahr sein kann» erzählt sie. «Es ist eine Frechheit, dass das Glattzentrum die gesperrten Parkplätze für solche Werbung ausnutzt.» Zudem stünden vor ihrer Boutique für Kundinnen und Kunden sechs Parkplätze zur Verfügung.

«Wir wollen den Laden weiterhin aufrecht erhalten»

Das Glattzentrum habe genug Kunden, entfährt es Bersinger. «Dieses grosse Einkaufszentrum muss nicht in unserem Dorf Kunden abwerben.» Absurd sei zudem, dass sich im Glattzentrum selbst eine Ledergerber-Filiale befinde.

Die grossen Anbieter hätten Überhand genommen, findet Bersinger. «Sie drücken den Leuten auf, was sie kaufen sollen.» Dabei seien viele Kundinnen und Kunden froh, wenn sie im Dorf einkaufen gehen könnten und dafür nicht extra woanders hinfahren müssten. Auch schätzten diese die persönliche Beratung.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Scharfe Kritik übt auch Thomas Köhler, Inhaber der Papeterie Köhler. «Das Plakat ist eine Ausnutzung der Bausituation und hilft dem Lädelisterben extrem», sagt er.

An derselben Ladenpassage einige Meter entfernt meldet sich eine Stimme mit einer warmen Begrüssung am Telefon: «Bruder, Tabatière Küsnacht, willkommen?». Das Geschäft bietet in Küsnacht seit bald 40 Jahren Zigarren, Rum und Whiskeys an. «Wir wollen den Laden weiterhin aufrechterhalten», sagt Jasmin Bruder bestimmt. Solche Plakate seien gegen das Lädelisterben nicht förderlich. Ihrer Meinung nach hat das Glatt-Plakat in Küsnacht nichts verloren. «Dieses Plakat nimmt dem Dörfchen den Charme.»

Lokale Slogans

Küsnacht ist nicht der einzige Ort, den das Glattzentrum für seine Werbe-Kampagne ausgewählt hat. Laut Lisa Rennefahrt, Mediensprecherin des Glattzentrums, hängen die Plakate seit Frühling in der Stadt Zürich und am rechten Seeufer. Damit wollten sie nicht nur bestehende, sondern auch mögliche neue Kunden ansprechen, sagt Rennefahrt.

Angesprochen auf die Kritik, dem lokalen Gewerbe Kundschaft abzujagen, sagt Rennefahrt: «Wir sind überzeugt von einem breiten Angebot im stationären Handel. Dazu gehören viele unterschiedliche Formate, von den lokalen Geschäften über die Innenstädte bis zu Einkaufszentren.» Entsprechend engagiere sich das Glatt auch im Austausch mit vielen anderen Branchenvertretern.

Bei den Kampagnen pickt das Einkaufszentrum lokale Eigenheiten heraus. «Unsere neueste Kampagne besteht aus verschiedenen Slogans, die auf die jeweiligen Standorte zugeschnitten wurden. Sie befinden sich beispielsweise in Parkhäusern in der Innenstadt oder entlang der Seestrasse», erklärt Lisa Rennefahrt.

«Plakat soll als Weckruf angesehen werden»

Der Gewerbeverein Küsnacht sieht in der Plakat-Aktion hingegen Potenzial für einen Weckruf. Die Wichtigkeit von einfach zugänglichen und kostengünstigen Parkplätzen betone der Verein bei der Gemeinde immer wieder, sagt Vorstandspräsident Philipp Bretscher. «Dieses Plakat soll als Weckruf angesehen werden, damit Baustellen auf öffentlichen Parkplätzen möglichst kurzfristig sind.» Das Glattzentrum könne mit den Angeboten in Küsnacht jedoch nicht konkurrenzieren, teilweise unterschieden sich diese auch deutlich voneinander.

In Küsnacht finden Kundinnen und Kunden laut Bretscher alles für den täglichen Bedarf. «Dazu kennen die Anbieterinnen und Anbieter die Kundschaft beim Namen, was stets sehr geschätzt wird und auch ein Extra-Service für die Kundschaft ist immer möglich.»

Die Plakate dürften die Lädelibetreibenden glatt noch eine Weile ärgern. Lisa Rennefahrt: «Teilweise hängen Plakate beispielweise länger, wenn keine neue Buchung an einem Standort gemacht wurde.»

veröffentlicht: 15. Juli 2023 11:07
aktualisiert: 15. Juli 2023 11:07
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch