An der Langstrasse sterben immer mehr Lädeli
Seit Jahren kann man beobachten, dass es kleine, unabhängige Lädeli immer schwerer haben, sich auf dem Markt zu halten. Die Mietpreise werden teurer, was dazu führt, dass sich praktisch nur noch die Grosskonzerne, wie die Migros oder Coop, diese Flächen leisten können.
In einem Bericht auf tsüri.ch wird das Langstrassenquartier genauer unter die Lupe genommen. Unternehmen, die zum Migros-Konzern gehören, prägen hier mittlerweile ein Grossteil des Quartiers. Die ETH-Stadtforscherin und Vizepräsidentin des Vereins L200, Ileana Apostol, sieht diese Präsenz kritisch, denn gerade die Migros weite unter verschiedenen Namen und Fassaden ihre Investitionen aus, «ohne sich der Förderung des Quartierlebens und der Stadtentwicklung bewusst zu sein», so Apostol zu tsüri.ch.
Das Lokal des Vereins L200 wird seit viereinhalb Jahren an der Langstrasse als «offene und vielfältige Infrastruktur» betrieben und kann vielseitig genutzt werden – als Veranstaltungsort, Pop-up-Store oder Co-Working-Space. Zusammengeschlossen hat sich der Verein, der den Raum durch ehrenamtliche Mitglieder betreibt, um die Vielfalt und Förderung des Kreis 5 zu erhalten.
Die Lebensqualität geht verloren
Laut einer Umfrage zum «Lädelisterben» aus dem Jahr 2021 durch das Forum 5im5i, dem der Verein angehört, kam heraus, dass nur noch sehr wenige kleine Geschäfte im Kreis 5 tätig seien. Als Hauptgrund werden die steigenden Mietpreise genannt. «Diese Situation hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Nachbarn, Händlern und Kundinnen, die nicht durch anonyme Grossunternehmen ersetzt werden können», sagt Apostol. Der Verlust an Lebensqualität in der Nachbarschaft sei die Folge.
Auch würden die Einwohnerinnen und Einwohner nicht in die Entscheidungsprozesse einbezogen. «Sie nehmen die Migros im Kreis 5 als viel zu dominant wahr, da sie zunehmend inhabergeführte Quartierläden und Gastrobetriebe verdrängt», erklärt Fred Frohofer, der Mitglied war beim Forum 5im5i.
Wie weiter mit dem Quartier?
Die Stadt indes sieht die Verantwortung der Unternehmen darin, nicht nur an den maximalen Gewinn zu denken, sondern an den Standorten einen Nutzungs-Mix entstehen zu lassen, sagte Anna Schindler, Direktorin Stadtentwicklung Zürich zu tsüri.ch. Privaten Vermieterinnen und Vermietern vorschreiben, wem sie die Gewerbeflächen vermieten sollen, könne die Stadt jedoch nicht.
Wie sich das Langstrassenquartier künftig gestalten wird, lasse sich schwer sagen. Solange die Wertsteigerung des Bodens wie bis anhin voranschreite, wird es laut Schindler immer wieder Vermieterinnen und Vermieter geben, die ihre Häuser erneuern und die Mieten dadurch steigern. Zum Glück habe es im Quartier aber viele Genossenschaften und städtische Liegenschaften, die den durchschnittlichen Mietpreis dämpfen, meint Fred Frohofer dazu.
Was die Quartierläden machen
ZüriToday hat sich im Langstrassenquartier umgehört und nachgefragt, wie es für die Lädelibesitzer läuft.
Daniel Peyer, Mitinhaber von «Mootes», der Pflegeprodukte für Männer anbietet, sagt: «Es gibt uns seit 2017 und für uns läuft es sehr gut. Aber wir bekommen natürlich mit, wenn es im Quartier Veränderungen gibt. Man macht sich durchaus Gedanken über die Zukunft. Kürzlich musste eine Frau ihren schönen Laden mit Vintage-Sachen und Blumen schliessen, weil die Miete gestiegen sei. Da ist jetzt eine Anwaltskanzlei. Andernorts ging ein Kinderladen weg und da ist jetzt ein Ingenieurbüro. Und in einem anderen Laden kam eine Beratungsstelle rein. Es ist also schon so, dass es immer weniger Lädeli gibt. Dadurch leidet auch die Vielseitigkeit im Quartier.»
«Mootes» hat sich mit anderen Lädeli zusammengetan und den Verein kreis-5.ch gegründet. Es sei jedoch essenziell, dass die Ladenbesitzer sich dann auch engagieren und einbringen im Verein, sonst laufe nichts. «Wir sollten mit den Vermietern vermehrt reden, damit wir Mitspracherecht zu künftigen Mietern haben, falls eine Ladenfläche frei wird. Sonst haben wir plötzlich nur noch Büros und kein Quartierleben mehr», so Peyer.
«Kunden wissen, was sie bei uns bekommen»
Omar Tucato, Geschäftsführer von der Druckfabrik Züri sieht es ähnlich: Die Druckfabrik könne sich glücklicherweise noch gut halten, wie er sagt. Wir bieten unseren Kunden Services an, die sie nicht unbedingt im Netz bekommen. Off-Set-Drucke seien beliebt. «Aber guter Kundenkontakt ist enorm wichtig. Kunden wissen, was sie bei uns bekommen.» Er engagiere sich im Gewerbeverein, wo sich die Mitglieder gegenseitig helfen. Man habe untereinander Rabatte von 10 bis 15 Prozent in den Läden. «Auch gibt es ein Portal, wo sich die Quartierlädeli vernetzen können. Und der Verein geht in die Läden, damit sich Besitzer mit ihrem Angebot vorstellen können.» sagt Tucato.
Den Veränderungen muss man sich anpassen
Die Metzgerei «Macelleria Salumeria Fulvi» ist seit 20 Jahren an der Schöneggstrasse und Geschäftsführer Joseph Fulvi, ein junger Italiener, macht sich keine Sorgen. Es laufe gut. Nach dem Geheimnis des Erfolges gefragt, sagt er: «Ich spreche fünf Sprachen und kann mich mit Menschen aus vielen Kulturen unterhalten.» So sind er und seine Spezialitäten vor allem bei Menschen aus Brasilien, Spanien, Portugal und Afrika ein Geheimtipp geworden.
Zudem hat Fulvi viele Artikel im Angebot, die eben nicht beim Grossverteiler zu kaufen sind. «Natürlich gibt es regelmässig Veränderungen, aber man passt sich an, und darum geht es immer weiter.»
Kundennähe, innovative Ideen und Nischenprodukte scheinen sich für die Langstrasse-Lädeli also zu lohnen.