Zürich

«Ein berechtigtes Anliegen» – das sagt ein Experte zum späteren Schulstart

Uetikon

«Ein berechtigtes Anliegen» – das sagt ein Experte zum späteren Schulstart

27.04.2023, 11:06 Uhr
· Online seit 27.04.2023, 09:27 Uhr
Viele Jugendliche sehen morgens beim Unterrichtsbeginn kaum aus den Augen. In Uetikon dürfen Schülerinnen und Schüler bald länger schlafen. Ein Experte erklärt, wie realistisch der spätere Schulstart an Zürcher Schulen ist.
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Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Uetikon dürfen bald länger schlafen. Die Anpassung des Stundenplans auf einen späteren Unterrichtsstart wurde als Pilotprojekt von der Schulpflege bewilligt, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Ziel ist es, dass Jugendliche schon zum Schulbeginn wacher und damit leistungsfähiger sind. In der Stadt Zürich wurde bereits ein entsprechender Vorstoss im Gemeinderat eingereicht.

Philippe Wampfler ist Deutschlehrer an der Kantonsschule Enge und Fachdidaktiker am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Zürich. Der Experte erklärt im Gespräch mit ZüriToday, wie sinnvoll der spätere Unterrichtstart ist und wie realistisch die Umsetzung im Kanton Zürich ist.

Herr Wampfler, was halten Sie von dem Pilotprojekt in Uetikon?

Aus meiner Sicht ist das ein ganz wichtiges und berechtigtes Anliegen von jugendlichen Schülerinnen und Schülern. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Unterrichtsbeginn vor 8 Uhr morgens für pubertierende Jugendliche viel zu früh ist. Damit die Schülerinnen gut lernen und funktionieren, wäre es besser, die Schule finge deutlich später an.

Wieso beginnt die Schule so früh?

Jugendliche passen sich an den Rhythmus der Erwachsenen an. Für Eltern ist das natürlich praktisch. Sie sind froh, wenn sie relativ früh zur Arbeit fahren können und ihre Kinder schon versorgt sind und in den Schulen betreut werden.

Was macht es mit Teenagern, wenn sie so früh zur Schule müssen?

Die Schlafregulation und eine gute Schlafhygiene sind in diesem Alter sowieso schwierig. Das frühe Aufstehen stört den natürlichen Schlafrhythmus zusätzlich. Das führt dazu, dass Teenager sehr müde sind und entsprechend nicht leistungs- und aufnahmefähig. Zudem macht es Schülerinnen und Schüler anfälliger für psychische Krankheiten.

Wie erleben Sie das in Ihrem Unterricht?

Bei uns an der Kantonsschule Enge beginnt der Unterricht kurz vor 8 Uhr. Bei einer Kantonsschule sind die Schulwege zum Teil sehr lange, da viele Jugendliche aus einem grösseren Einzugsgebiet anreisen. Das führt dazu, dass einige Kinder noch früher aufstehen müssen. Ihre Müdigkeit vom Morgen zieht sich teils durch den ganzen Tag.

Wie kann man einen späteren Schulstart realistisch umsetzen?

Den späteren Schulbeginn könnte man beispielsweise mit dem Modell der Tagesschule verbinden. Dabei essen Jugendliche am Mittag in der Schule, wodurch Zeit eingespart wird, die man am Morgen gewinnt.

Eine andere Variante wäre, den freien Nachmittag aufzuheben und dafür relativ kompakte Schulzeiten, beispielsweise von 9 bis 15 Uhr, einzuführen. So bleibt am Nachmittag immer noch genug Freizeit für Hobbies.

Bei der Ausarbeitung eines neuen Modells braucht es auf jeden Fall Kreativität. Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit haben, ein individuelles Schulmodell zu wählen. Nicht alle ticken gleich. Wer früher in die Schule möchte, sollte dies zum Beispiel anhand von Freifächern machen können.

Wie realistisch ist es, dass sich ein neues Modell im ganzen Kanton durchsetzt?

Ich glaube, es braucht einfach Zeit, bis sich das im Kanton entwickelt. Einzelne Schulen müssen erst ihre Erfahrungen mit neuen Stundenplan-Modellen machen, bis sich längerfristig und Schulen-übergreifend etwas ändert.

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veröffentlicht: 27. April 2023 09:27
aktualisiert: 27. April 2023 11:06
Quelle: ZüriToday

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