Billettpreise

«City-Ticket-Zwang» verärgert ÖV-Reisende – ZVV spricht von Kundenschutz

· Online seit 20.06.2023, 06:52 Uhr
Wer aus einem anderen Verkehrsverbund ein Ticket nach Zürich löst, erhält entweder ein Billett mit City-Zuschlag oder ein Streckenbillett. Einige Reisende ärgern sich über die Mehrkosten des City-Zuschlags. Der ZVV rechtfertigt dieses System mit Kundenschutz.
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Ein Beispiel für einen Preisnachteil, der durch ein City-Ticket entsteht, zeigt «Infosperber» auf: Wer ein Billett von Flawil im Kanton St.Gallen nach Winterthur zur Haltestelle Sulzer löst, zahlt mit einem Halbtax-Abo 14.60 Franken. Im Preis inbegriffen ist ein City-Ticket, was einer Tageskarte für den Ortsverkehr in Winterthur entspricht. Wählt man die Endhaltestelle Töss, sinkt der Preis auf 10.50 Franken für ein normales Streckenbillett ohne den City-Zuschlag.

Die Haltestelle Sulzer liegt jedoch einige Stationen vor der Haltestelle Töss. Mit dem günstigeren Ticket zu letzterer Station kommt man also auch an der Haltestelle Sulzer vorbei. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Haltestellen ist deren Einbindung in den Nationalen Direkten Verkehr (NDV). Die Station Sulzer ist, im Gegensatz zur Haltestelle Töss, nicht darin integriert.

Streckenbillette sind nicht bei allen Haltestellen verfügbar

Der NDV ermöglicht es, dass Reisende über verschiedene Transportunternehmen hinweg mit einem einzigen Billett fahren können. Von Flawil im Tarifverbund Ostwind kann man also mit einem Streckenbillett nach Winterthur Töss fahren. Im Gebiet des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) sind jedoch nicht alle Haltestellen in den NDV integriert. Eine Übersicht darüber existiert nicht. Wenn die Einbindung wie bei der Station Sulzer fehlt, gibt es für Reisen von oder nach hier nur ein City-Ticket, wenn sie über die Grenzen des ZVV hinweg gehen.

Dieser Umstand erhitzt die Gemüter. «Der ZVV ist renitent und kassiert Millionen», schreibt «Infosperber» dazu. In SBB-Foren ist von einem «City-Ticket-Zwang» die Rede. Der ZVV erklärt auf Anfrage von ZüriToday allerdings, dass die Ausnahmen bei der Integration in den NDV aus dem Gedanken eines «Schutzes für die Kundschaft» bestehen.

«In dichtbesiedelten Gebieten gibt es im ÖV-Netz mehrere Wege von unterschiedlicher Länge an unterschiedliche Bahnhöfe, von wo aus dann die Reise aus dem Verbund weitergeführt wird», sagt Thomas Kellenberger von der ZVV-Medienstelle. Für die verschiedenen Wege brauche es entweder verschiedene Streckenbillette, die unterschiedliche Preise aufweisen würden, oder eben einen einheitlichen City-Zuschlag, der alle Fahrten in der gewählten Zone abdecken, und somit Reisende vor einer Busse schütze, wenn sie spontan mit einem anderen Bus oder Zug an ihren Zielort fahren.

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«Es gibt keine finanziellen Absichten»

Das Problem betreffe auch nur wenige Menschen im ZVV. «Die meisten Leute sind innerhalb des Verbundes unterwegs. Für weit über 90 Prozent aller Fahrten werden Zonenbillette gelöst», erklärt Kellenberger. Zwar sei der Streckentarif in der Regel günstiger als das City-Ticket. Es existieren aber auch Fälle, in denen die Lösung mit dem City-Zuschlag günstiger sei, beispielsweise bei Lokalnetzen.

«Es gibt auch überhaupt keine finanziellen Überlegungen von unserer Seite», sagt Kellenberger. Allfällige Mehreinnahmen seien im Vergleich zu den übrigen Einnahmen des ZVV wohl verschwindend klein.

Dennoch sei dem ZVV bewusst, dass die bestehende Lösung nicht mehr ideal sei. Er strebt daher seit Längerem eine Änderung der Situation an  – allerdings nicht durch eine komplette Integration aller Haltestellen in den NDV. Sein Ansatz ist es, bei Reisen über die Grenzen des Tarifverbundes hinweg immer die Zonen in die Tickets zu integrieren. Die Kundschaft soll sich sowohl am Start- als auch am Zielort in einer kompletten Zone des öffentlichen Verkehrs bewegen können.

SBB prüft Vorschlag des ZVV

«Diese Lösung wäre deutlich günstiger als die City-Tickets und würde gleichzeitig auf die politischen Ziele von Bund und Kanton Zürich einzahlen, namentlich die Steigerung des ÖV-Anteils am Gesamtverkehr, Umwelt- und Klimaschutz sowie raumplanerische Anliegen wie effiziente Nutzung der knappen Verkehrsflächen in den Städten», meint Kellenberger.

Seinen Vorschlag habe der ZVV bei der SBB deponiert, welche den Ansatz immer noch prüfe. Resultate wurden für den Sommer in Aussicht gestellt. Auch das Bundesamt für Verkehr sei darüber informiert. Über das weitere Vorgehen werde der ZVV nach dem Vorliegen dieser Einschätzungen entscheiden.

veröffentlicht: 20. Juni 2023 06:52
aktualisiert: 20. Juni 2023 06:52
Quelle: ZüriToday

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