Anstieg Referenzzins

Darum musst du den erhöhten Mietzins nicht unbedingt schlucken

· Online seit 20.06.2023, 08:11 Uhr
Viele Mietende erhalten derzeit eine Mietzinserhöhung aufgrund des gestiegenen Referenzzinses. Experten erklären, wann eine Mietzinserhöhung gerechtfertigt ist und ob eine Anfechtung sinnvoll ist.

Quelle: Referenzzinsatz stieg 2023 das erste Mal seit 15 Jahren / ZüriNews vom 20. Juni 2023

Anzeige

Beim Einzug in ihre Wohnung in Zürich Wiedikon mussten L.F.* und ihre zwei Mitbewohnerinnen ohne Begründung 730 Franken mehr Miete als der Vormieter bezahlen. Der Mietzins stieg von 1700 auf 2430 Franken – das ist weit mehr als die zugelassenen zehn Prozent. Dagegen wehrten sich die Mieterinnen. Als Kompromiss hat die Verwaltung eine neue Küche einbauen lassen, der erhöhte Mietzins blieb dafür bestehen.

Doch vor zwei Tagen musste die Zürcherin L.F. einen eingeschriebenen Brief auf der Post abholen. Dabei handelt es sich um eine offizielle Mietzinserhöhung à 145 Franken aufgrund des gestiegenen Referenzzinses. «Die Änderung ist natürlich ungemütlich. Wir müssen jetzt je 50 Franken mehr Miete bezahlen», sagt L.F. im Gespräch mit ZüriToday. «Aber ich weiss nicht, ob wir das anfechten können. Es haben ja viele einen solchen Brief erhalten, deshalb denke ich, ist das schon richtig», sagt die 28-Jährige.

In 50 Prozent der Fälle wird eine Anfechtung empfohlen

In den letzten zwei Wochen sind beim Mieterverband (MV) Zürich laut Kommunikationsleiter Walter Angst viele solcher Anfragen eingegangen. Am 1. Juni ist der hypothekarische Referenzzins auf 1,5 Prozent gestiegen. Deshalb erhöhen nun viele Vermieter den Mietzins ihrer Liegenschaften – doch das ist nicht in allen Fällen gerechtfertigt. «Knapp 50 Prozent der mit unserem Mietzinsrechner geprüften Erhöhungen haben die Empfehlung erhalten, die Erhöhung anzufechten», sagt Angst.

Viele Mietende haben von tieferem Mietzins profitiert

Der Hauseigentümerverband (HEV) Zürich verfügt noch über keine aktuellen Angaben zur Anzahl von Mietzinserhöhungen seitens Hauseigentümern oder von darauffolgenden Anfechtungen der Mieterschaft.

Laut HEV-Direktor Albert Leiser haben viele ihrer Mitglieder in den letzten Jahren die Miete mit der Senkung des Referenzzinssatzes von sich aus reduziert. «Obschon die Vermieter von Gesetzes wegen dazu nicht verpflichtet gewesen wären», fügt Leiser hinzu. In diesen Fällen werde es tatsächlich zu Mietzinserhöhungen kommen. In solchen Mietverhältnissen «haben die Mieterinnen und Mieter seit längerer Zeit von einem tieferen Mietzins profitiert», so der Direktor.

Gründe für eine Anfechtung der höheren Miete

Laut Walter Angst kann es aber vorkommen, dass diese Senkungen in den letzten Jahren nicht vollumfänglich an Mietende weitergegeben worden sind. «In diesen Fällen muss man jetzt handeln», animiert Angst. Wenn eine Erhöhung einmal akzeptiert werde, könne man nicht mehr auf alte Berechnungsfehler zurückkommen.

Eine Anfechtung kann aber erst erfolgen, wenn sie rechtlich zulässig ist, erklärt der Kommunikationsleiter. «Bei der Prüfung kommt es immer wieder zu Fehlern», denn «oft werden zu hohe Kostensteigerungspauschalen verlangt». Im Fall der Wohngemeinschaft von L.F. sei die Kostensteigerung mit 0,5 Prozent zu hoch, wenn Betriebskosten wie Allgemeinstrom und Wasser mit den Nebenkosten abgerechnet werden. Auch die Teuerung ist Bestandteil dieser Mietzinserhöhung, welche laut dem Kommunikationsleiter nur zu 40 Prozent überwälzt werden darf. "Mit dem Mietzinsrechner hat der Mieterinnen- und Mieterverband ein einfaches Tool bereitgestellt, um diese Prüfung durchzuführen", sagt Angst.

Auch wenn ein schon sehr hoher Mietzins aufgrund der Referenzanpassung weiter erhöht wird, könne dies ein Grund zur Anfechtung sein, sagt Angst. «Missbräuchlich und damit anfechtbar ist die Erhöhung, wenn die Verwaltung neu einen übersetzten Ertrag erzielt», erklärt der Kommunikationsleiter.

Wenn der Mietzins bei einer Neuvermietung wegen des Einbaus einer neuen Küche um 730 Franken erhöht worden ist, könne jetzt geprüft werden, ob mit der Erhöhung wegen des gestiegenen Referenzzinses ein übersetzter Ertrag erzielt werde. Chancen auf Erfolg habe man jedoch nur, wenn die Liegenschaft nicht älter als 30 Jahre alt sei. «Da das Verfahren komplex ist, braucht es in diesen Fällen eine Fachberatung. Mitglieder des Mieterverbands können sich für eine Beratung an uns wenden», so Angst.

Das korrekte Vorgehen der Verwaltung

Während Mietzinsreduktionen formlos erfolgen können, müssen Vermieter zur Mitteilung einer Mietzinserhöhung einige Formalitäten erfüllen, wie Albert Leiser vom HEV erklärt. Unter anderem müsse ein kantonal genehmigtes Formular verwendet werden, in der die Mietzinserhöhung klar zu begründen sei. «Das Formular sollte eingeschrieben verschickt werden», erklärt Leiser, «denn im Streitfall muss der Vermieter beweisen können, dass die Mieterschaft die Mitteilung rechtzeitig erhalten hat».

«Wenn eine Mietzinserhöhung also auf den 1. Oktober 2023 mitgeteilt wird, muss das Schreiben am 20. Juni in den Händen der Mietenden sein», erklärt Walter Angst vom MV Zürich. Allen im Mietvertrag aufgeführten Personen sowie Ehepartnern oder eingetragenen Partnerinnen müsse der eingeschriebene Brief zugestellt werden. Ist einer dieser Punkte nicht erfüllt, kann dies ein weiterer Grund für eine Anfechtung sein.

So gehst du vor bei einer Anfechtung der Mietzinserhöhung

«Innert dreissig Tagen ab Erhalt des eingeschriebenen Briefes muss die Anfechtung abgeschickt werden», erklärt Walter Angst. Wichtig zu beachten, vor allem während der Ferienzeit: Diese Frist läuft auch während der Sommerferien.

«Mietende müssen dafür sorgen, dass der eingeschriebene Brief auch während einer Ferienabwesenheit abgeholt wird», warnt der Kommunikationsleiter. Bevor die genannte Frist abläuft, muss die Anfechtung abgeschickt werden – gegebenenfalls noch während der Ferien.

Nicht in jedem Fall wird Mietzinserhöhung verlangt

Doch nicht jede Mietpartei muss mit einer Mietzinserhöhung aufgrund des Referenzzinses rechnen. Wie Albert Leiser erklärt, verhalte sich der HEV Zürich in dieser Frage generell eher vorsichtig und prüfe jeden Einzelfall sorgfältig.

«Insbesondere bei Neubauten oder bei (gesamt-) sanierten Mietobjekten üben wir uns eher in Zurückhaltung und empfehlen, die Mietzinse nicht zu erhöhen», so Leiser, «denn eines darf nicht vergessen werden: Das Ziel des Vermieters ist es, dass der Mieter möglichst langfristig in der Wohnung wohnt». Neben der Mieterschaft habe auch der Vermieter Interesse an einem möglichst guten Mietverhältnis.

* Name der Redaktion bekannt

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 20. Juni 2023 08:11
aktualisiert: 20. Juni 2023 08:11
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch