Für den Vater, ein Schweizer mit kosovarischen Wurzeln, forderte die Staatsanwältin neu eine Freiheitsstrafe von 19,5 Jahren. Das sind noch drei Jahre mehr als das Bezirksgericht Zürich vor zwei Jahren in seinem Urteil verhängt hatte.
Für die Mutter, eine Schweizerin, forderte die Staatsanwältin neu 15 Jahre Freiheitsstrafe, also noch einmal 2,5 Jahre mehr. Für die Staatsanwältin ist es erwiesen, dass die beiden Beschuldigten die beiden hauptbetroffenen Kinder, einen Sohn und eine Tochter, vier Jahre lang fast jede Nacht und an den Wochenenden einschlossen.
Mädchen musste Erbrochenes aufessen
Zunächst geschah das im Kinderzimmer, später im ungeheizten Naturkeller - manchmal im Dunkeln ohne Licht. Laut Anklage durften Tochter und Sohn dabei nur selten auf die Toilette und mussten sich auf den Boden des Kinderzimmers oder des Kellers erleichtern.
Die Eltern zwangen das Mädchen einmal, ihr Erbrochenes aufzuessen, den Knaben seinen Kot. Die Kinder mussten sich mit Urin vollgesogene Windeln auf den Kopf setzen und stundenlang stillstehen.
Mit neun Jahren wog der Sohn 18,5 Kilogramm
Zu essen bekamen die Kinder wenig. Die Eltern sollen absichtlich die Nahrung verweigert haben, so dass Sohn und Tochter völlig abgemagert waren. Der Sohn wog im Alter von neun Jahren gerade einmal 18,5 Kilogramm. Die Kinder, die heute junge Erwachsene sind, mussten wegen dieser «Erziehung» zeitweise IV beziehen. Sie sind dauerhaft traumatisiert und psychisch geschädigt.
Beide Elternteile schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Die Berufungsverhandlung gegen die beiden dürfte zwei Tage dauern. Das Urteil wird voraussichtlich im Januar eröffnet.
Strafverfahren gegen untätige Behörden
Die Vormundschaftsbehörde, die Vorläufer-Organisation der heutigen Kesb, blieb lange untätig, obwohl die Situation der gequälten Kinder keineswegs unbemerkt blieb. Bei den Behörden gingen unzählige Meldungen ein, von Nachbarn, Lehrern und auch Ärzten, welche die ausgehungerten Kinder in ihrer Praxis sahen und Alarm schlugen.
Die Behörden boten der Familie jedoch immer nur das Gespräch und ihre Hilfe an – doch sie insistierten nicht. Das Bezirksgericht Zürich selber erstattete im Jahr 2020 deshalb Anzeige gegen frühere Behördenmitglieder. Aktuell wird gegen mehrere Vertreter ermittelt. Ob und wann es zu einer Anklage kommen wird, ist noch offen.
(sda/mhe)