Baustellen-Ärger

Ladenbesitzer im Zürcher Niederdorf fordern Schadenersatz

· Online seit 31.08.2023, 09:59 Uhr
Seit März rattert und lärmt es in der Zürcher Altstadt. Alles ist voller Abschrankungen, Strassen werden aufgerissen und es ist dreckig. Wegen der umfassenden Sanierungsarbeiten bleibe schon länger die Kundschaft weg, ärgern sich Ladenbesitzer und pochen jetzt auf Entschädigung.
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Passantinnen und Passanten kommen kaum durch, überall ist es dreckig, staubig und laut, vieles ist abgesperrt. Dieser Zustand dauert in der Zürcher Altstadt seit März an und geht den Gewerblerinnen und Gewerblern gehörig auf den Geist. Ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Die Werkleitungs- und Sanierungsarbeiten in der Zürcher Altstadt werden noch bis 2028 etappenweise durchgeführt und kosten die Stadt 81,5 Millionen Franken.

Keine klingelnden Kassen

Durch die Dauerbaustelle bleibt die Kundschaft aus und die Kassen leer. Die betroffenen Ladenbesitzerinnen und Ladenbesitzer fordern von der Stadt Schadenersatz für die fehlenden Umsätze. So auch Goldschmied Beat Schwengeler.

Er betreibt bereits seit 1996 einen Laden an der Kirchgasse mit Werkstatt. «So geht das schon seit Ende März», sagt der Goldschmied gegenüber dem «Tagesanzeiger». Er kritisiert, dass die «ganze obere Kirchgasse» durch Arbeiten versperrt wird und die Schaufenster und Ladeneingänge durch Gräben blockiert oder Werkfahrzeuge zugestellt sind. Die Laufkundschaft bleibt aus.

Fast gesamter Umsatz bleibt aus

Die Umsatzeinbussen würden 70 bis sogar 100 Prozent betragen, sagt auch der Inhaber des EOS Buchantiquariats Benz, ebenfalls an der Kirchgasse, Marcus Benz. «Wir könnten eigentlich den Laden gleich schliessen, da kommt ohnehin niemand», so der Geschäftsführer.

Ausserdem sei es durch die Arbeiten staubig und dreckig. Die lauten Arbeiten würden das Arbeiten zusätzlich erschweren. Der Stadt seien sie anscheinend «nicht wichtig» klagen die Geschäftsbesitzer. Sie sind enttäuscht vom Vorgehen des städtischen Tiefbauamts und beschweren sich, dass man sie im Vorfeld zu wenig miteinbezogen habe.

Stadt-Feten verzögern Bauarbeiten

Es sei ihnen versichert worden, dass die Arbeiten innert sechs bis acht Wochen erledigt werde, sollte es zu Sperrungen für die Zulieferer kommen. Die Arbeiten dauern aber nun schon mehr als ein halbes Jahr. «Und die Zeche bezahlen wir», schimpfen die Ladenbesitzer.

Wie der «Tagesanzeiger» weiter schreibt, sei es besonders ärgerlich, dass für das Sechseläuten, das Züri-Fäscht und die Street Parade die Baugruben zu und danach wieder aufgedeckt wurden. Dies verzögere die Bauzeit um Wochen.

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Als wären Lärm und wegbrechende Umsätze nicht Ärger genug, kam es bei Goldschmied Schwengeler zu einem Bruch einer Wasserleitung. Sein Laden stand unter Wasser.

Auch bei einer Galerie kam es durch einen Baggerfahrer bereits vor zwei Wochen zu Schäden. Dabei wurde das Schaufenster zertrümmert. Der Betreiber beklagt sich, dass man sich nicht ernst genommen und im Stich gelassen fühle.

Vorschläge zur Kostendeckung gefordert

Bereits am 11. Juli verfassten die Gewerbler an der Kirchgasse einen Protestbrief an Tiefbauvorsteherin Simonde Brander. Darin heisst es: «Aufgrund der gegebenen Sachverhalte erwarten wir ihrerseits Vorschläge zur Deckung unserer Umsatzeinbussen und des entstandenen Schadens.»

In Branders Antwort heisst es, dass die Projektverantwortlichen versuchen, «die Bauarbeiten zur Erneuerung der städtischen Infrastruktur im Nieder- und Oberdorf deshalb so verträglich wie möglich zu gestalten». Die Arbeiten werden aber als «sehr herausfordernd» beschrieben. Grund dafür seien wetterabhängige Arbeiten, wie die ständige Gewährleistung von Wasser, Strom, einer funktionierenden Kanalisation, sowie äusserste Vorsicht beim Umgang mit den Gasleitungen.

Die Vorwürfe bezüglich Informationen zu Sperrung von Zufahrten weist Brander in ihrer Antwort vom 7. August zurück. Man habe die Gewerbetreibenden wie auch Anwohnerinnen und Anwohner frühzeitig über diese in Kenntnis gesetzt.

Schlechte Chancen auf Schadenersatz

Der Forderung auf Schadenersatz rechnet die SP-Stadträtin wenig Chancen aus. «Eine Entschädigungspflicht des Gemeinwesens wird nur dann bejaht, wenn die Übermässigkeit der vorübergehenden Bauimmissionen gegeben ist», heisst es.

Das Tiefbauamt versuche, die Unannehmlichkeiten der Bauarbeiten so gering wie möglich zu halten. «Die Grundeigentümer hätten die vorübergehenden Störungen entschädigungslos zu dulden», schreibt Brander weiter. Auch mehrere Monate gelten als vorübergehend.

Ladenbesitzer geben nicht auf

Ombudsmann Pierre Heusser sieht die Forderung auf Schadenersatz ebenfalls skeptisch entgegen. Zwar hat er Verständnis für die Sorgen der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer in der Zürcher Altstadt, sagt aber auch, dass ein solches Anliegen über den Gemeinderat eingebracht werden müsste.

Den Unmut verstehe man durchaus. Erst litten die Geschäfte wegen der Pandemie und jetzt wegen der Mega-Baustelle. Unterkriegen lassen wollen sich die Gewerblerinnen und Gewerbler an der Kirchgasse aber nicht. Sie haben ein weiteres Schreiben verfasst. Ihnen werde ein «Sonderopfer» abverlangt, heisst es darin, dass ihnen nicht zugemutet werden dürfe. Sie hoffen weiterhin auf Entschädigung.

Einst war das Zürcher Niederdorf Schauplatz diverser Tanz- und Konzertlokale. Heute gilt die Bierhalle Wolf als letzte Insel für Fans der Volks- und Schlagermusik. Magdalena (75) ist Stammgast. Sie würde gerne tanzen. Die Suche nach einem Tanzpartner gestaltet sich schwierig:

Quelle: +41 - Das Schweizer Reportagemagazin/ CH Media Video Unit / Ramona De Cesaris

(roa)

veröffentlicht: 31. August 2023 09:59
aktualisiert: 31. August 2023 09:59
Quelle: ZüriToday

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