Die Opferrate bei der sexuellen Nötigung unter den Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht: Das zeigt die aktuelle Zürcher Jugendbefragung. Zum Vergleich: Bei den Gymnasiastinnen und den Sek-A-Schülerinnen stieg die Opferrate von 4 respektive 7 Prozent auf «nur» 12 Prozent.
Fast jede kann Geschichten über Belästigungen erzählen
Die «SonntagsZeitung» besuchte eine Sek B im Kanton Zürich und erfuhr, wie «normal» für diese Mädchen sexuelle Belästigung im Alltag ist – und wie sie damit umgehen. Jede Einzelne erzählte der Reporterin Geschichten darüber, wie sie gegen ihren Willen angefasst wurde. Vom Cousin, nachts in den Ferien. Von einem wildfremden Mann im Tram. Beim gemischten Turnen in der sechsten Klasse.
Sie berichten von Männern, die unverhohlen starren, sie schon morgens anzüglich von oben bis unten mustern, von Schnalz- oder Stöhngeräuschen in ihrer Nähe. Von Händen, die im Bus ihren Po streifen, von Armen, die um ihre Sitzlehnen gelegt werden, von Knien, die sich gegen ihre drücken. Davon, auf dem Nachhauseweg verfolgt zu werden.
«Fehlende gesellschaftliche Durchmischung» könnte ursächlich sein
Ein Grund könnte die fehlende gesellschaftliche Durchmischung in diesen Klassen sein, wie Kriminologe Denis Ribeaud gegenüber der «SonntagsZeitung» sagt: «Sie ist immer ein Problem – wenn irgendwo eine bestimmte Gruppe dominiert, entsteht eine Blase, eine Art geschlossene Welt, in der Normen gelten, die von den gesamtgesellschaftlichen deutlich abweichen können.» Eine Durchmischung scheitere aber nur schon am Wohnungsmarkt.
Die meisten mittelständischen Eltern liessen sich zudem ziemlich viel einfallen, damit ihre Kinder nicht auf eine Schule mit hohem Migrationsanteil müssten. Das führe zu Lebenswelten, die sich kaum berührten. «Das zeigt ja gerade die MeToo-Debatte: Diese wird in der mittelständischen, westlichen Bubble geführt, aber wohl nur sehr begrenzt im migrantisch-patriarchalischen Umfeld», so Ribeaud.
(sda/lol)