Fadil Salihovic ist wütend, das spürt man durchs Telefon. «Rund zwei Millionen Menschen sind betroffen, und sie leben inmitten unserer Gesellschaft», sagt er etwa. Oder: «Es ist ein Teufelskreis, aus dem man kaum mehr rauskommt.» Was Salihovic, Präsident der Zürcher Sozialdemokraten mit Migrationshintergrund, damit meint: Verschuldete Menschen hierzulande werden durch Lohnpfändungen und Betreibungen noch weiter in die Armut getrieben – «obwohl die Bundesverfassung ein Leben in Würde garantiert.»
So schreibt es Salihovic im Text einer Petition, die er anfangs Dezember lanciert hat. Gerichtet ist sie an Jaqueline Fehr, Zürcher Regierungsrätin und Vorsteherin der Justizdirektion. Konkret will der 36-Jährige erreichen, dass Betriebsauszüge im Rahmen von Vorstellungsgesprächen, sei es für einen Job oder für eine Wohnung, fortan nicht mehr verlangt und eingesehen werden dürfen.
Jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, kann Stand heute die Register der Betreibungs- und der Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen. So regelt es Artikel 8a des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (SchKG).
«Damit ist niemandem gedient»
«Wenn ein Vermieter oder ein Arbeitsgeber sieht, dass die bewerbende Person einmal betrieben wurde, sinken die Chancen praktisch auf null», so Salihovic. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Betreibung noch aktuell ist oder aber die Schulden bereits abbezahlt werden konnten. «Wer eine Wohnung sucht, soll eine faire Chance bekommen. Kein Mensch darf auf dem Wohnungs- und Stellenmarkt benachteiligt werden.»
Ansonsten würde sich ein Teufelskreis auftun, befürchtet Salihovic: «Wenn jemand Schulden abbezahlen will, ihm hierfür aber die Chance auf Arbeit verwehrt bleibt, wird der Schuldenhaufen ja nur noch grösser. Damit ist doch niemandem gedient – den Gläubigern nicht, der Person selbst erst recht nicht.»
Pfändungen sollen begrenzt werden
Um zu unterstreichen, dass das Verlangen von Betriebsauszügen bei Jobbewerbungen System hat, schickt Salihovic ZüriToday sieben Stellenausschreibungen von sieben verschiedenen Unternehmen, die Lagermitarbeitende, Sozialpädagogen oder Restaurant-Aushilfen im Stundenlohn-Verhältnis suchen. Ein Kriterium, das alle Bewerbenden erfüllen müssen: Einen einwandfreien Betreibungauszug. «In der Tendenz nimmt diese Praxis unter Arbeitgebern zu», beteuert Salihovic.
Die Konsequenzen für jene, die deshalb keine Arbeit finden: (Weitere) Betreibungen und Lohnpfändungen. Artikel 92 des SchKG regelt die Unpfändbarkeit, in Artikel 93 ist die begrenzte Pfändbarkeit von Vermögen definiert. Diese Artikel will Salihovic ändern: Es soll nicht mehr möglich sein, jegliches Vermögen, welches die minimalen Existenzbedürfnisse übersteigt, zu pfänden. «Dann wären wir wieder beim Teufelskreis: Wer am Existenzminimum lebt, kann Rechnungen kaum noch begleichen.»
Ratenzahlung soll für Entspannung sorgen
Salihovic sagt, dass an diesem Punkt Diskriminierung beginne – und längst nicht aufhöre. Vor allem für Migrantinnen und Migranten nicht: «Verschuldet zu sein heisst für sie in erster Linie, beim Niederlassungsstatus zurückgestuft zu werden oder gar die Aufenthaltsbewilligung zu verlieren», sagt Salihovic, der selbst aus Bosnien und Herzegowina stammt. «Aber Armut ist doch kein Verbrechen. Wie kann es sein, dass Ausländerinnen und Ausländer bloss wegen Schulden in ihre Heimatländer ausgeschafft worden sind?»
Das Nicht-Vorweisen eines Betriebsauszugs hätte womöglich schon gereicht, um eine Arbeit finden zu können – ein erster Schritt hinaus aus der finanziellen Misere wäre vollbracht worden. Um im Umgang mit den Betreibungsbehörden selbst bessere Bedingungen zu schaffen, fordert Salihovic eine Ratenzahlungsvereinbarung. Dies würde den Gläubigern dennoch die Sicherheit geben, dass sie ihr Geld zurückbekommen; die betroffene Person könne währenddessen mit weniger Druck ihre finanzielle Situation in den Griff kriegen.
«Würde wissen wollen, ob Miete gezahlt wird»
Stand Montagnachmittag ist die Petition erst von acht Personen unterzeichnet worden. Für Salihovic ist dies zweitrangig: Sein Ziel sei sowieso, später eine Volksinitiative auf Kantonsebene zu lancieren, sagt er. Damit könnte auf Gesetzesebene etwas bewirkt werden – die aktuelle Petition ist nicht verbindlich. Regierungsrätin Fehr ist denn auch nicht verpflichtet, darauf zu antworten.
Zumindest aus bürgerlichem Lager ist aber bereits eine Meinung zur Petition zu vernehmen. Hans-Jakob Boesch, Präsident der FDP Kanton Zürich, sagt auf Anfrage von ZüriToday, er könne verstehen, wenn ein Mieter wissen wolle, ob eine potenzielle Mieterschaft die Miete fristgerecht zahlen kann. «Genau hierfür gibt es den Betreibungsregisterauszug. Dieser gibt allerdings keine Auskunft darüber, ob jemand Schulden hat» – zurecht, wie Boesch findet. Denn die Schulden allein würden und sollen auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt keine Rolle spielen.