«Jedes Mal geschlossen»

Mann wird Wohnung weggeschnappt wegen starren Gemeinde-Öffnungszeiten

17.11.2022, 17:01 Uhr
· Online seit 17.11.2022, 16:55 Uhr
Ein Bauspengler aus Männedorf stand auf der Gemeinde immer vor geschlossenen Türen, als er einen Betreibungsauszug abholen wollte. Nun ist die Wohnung weg, für die er sich damit bewerben wollte. Er kritisiert die Verwaltungsöffnungszeiten scharf.
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Für eine spontane Wohnungsbesichtigung wollte M.B.* auf der Gemeinde Männedorf einen Betreibungsauszug abholen. Den direkten Gang auf die Behörde wählte er aufgrund der Erfahrung einer Kollegin. «Ich hatte erst gerade von einer Kollegin gehört, dass sie einen Auszug dreimal online bestellte und am Schluss trotzdem auf der Gemeinde vorbeigehen musste, um den Auszug endlich zu bekommen», sagt B.

Doch heute steht B. nicht nur ohne Betreibungsauszug da. Auch die Wohnung musste er sich abschminken. «Die Sache mit dem Betreibungsauszug hat sich inzwischen erledigt. Die Wohnung ist jetzt schon lange weg», sagt er.

Verwaltung war entweder noch zu oder schon wieder zu

Zum Verhängnis wurden dem Männedörfler die Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung. Dort stand er mehrmals vor geschlossenen Türen. Er habe das Privileg, während der Arbeit teilweise abwesend zu sein, um private Dinge zu erledigen, sagt der Bauspengler, der in Uetikon arbeitet. «Aber immer, wenn ich vorbeikommen wollte, war die Verwaltung morgens entweder noch nicht geöffnet oder ich erwischte einen Nachmittag, an dem sie geschlossen war.»

Tatsächlich sind die Öffnungszeiten der Gemeinderverwaltung Männedorf starr. Morgens öffnet die Verwaltung um 8 Uhr. Diese Uhrzeit fällt mit dem Arbeitsbeginn vieler Berufstätigen zusammen. Auch in der Mittagspause oder kurz davor haben die wenigsten Berufstätigen eine Chance, etwas auf der Gemeinde zu erledigen: Zwischen 11.30 Uhr und 13.30 Uhr ist geschlossen. Am Dienstag ist auch am Nachmittag zu. Einzig am Freitag öffnet die Verwaltung durchgehend, schliesst aber bereits um 14 Uhr.

«Du musst extra frei machen»

In der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Männedorf wenn'd...» machte der Bauspengler seinem Ärger Luft. «Im nächsten Leben werde ich bei der Gemeinde Männedorf ‹arbeiten›», schrieb er in einem Post zynisch. Fast immer sei die Verwaltung geschlossen. «Und immer, wenn ich was will/brauche zu 100 Prozent zu. Danke für nichts.»

Damit spricht er anderen Userinnen und Usern aus dem Herzen. Wenn man auswärts arbeite, habe man keine Chance, auf die Gemeinde zu gehen. Morgens gehe man, bevor sie offen sei und abends sei sie zu, wenn man zu Hause sei, antwortet eine Userin. «Du musst also extra frei machen.» Ein User witzelt, dass zwischendurch doch «immer ein bisschen» geöffnet sei. Ein weiterer spottet über die Verwaltungsangestellten: «Die müssen sich halt vom Arbeiten erholen.»

Kleiner Hinweis auf Website

Ganz berechtigt ist die Aufregung jedoch nicht, wie ein genauer Blick auf die Website mit den Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung zeigt. Ganz am Ende steht dort, dass ausserhalb der Öffnungszeiten Dienstleistungen nach Vereinbarung möglich seien. «Diese Termine können gerne auch per Mail vereinbart werden», sagt Nadja El Hemdi, Gemeindeschreiberin von Männedorf auf Anfrage. Die Frage, warum die Verwaltung am Dienstagnachmittag geschlossen ist, sowie weitere Fragen zu den Öffnungszeiten liess sie unbeantwortet.

Öffnungszeiten seien ein Relikt aus früheren Zeiten

Priska Seiler Graf, SP-Nationalrätin und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gemeindeverbands, ist die Kritik an den Schalteröffnungszeiten bestens bekannt. «Solch starre Öffnungszeiten sind wirklich nicht optimal. Eine Gemeindeverwaltung ist ein Dienstleistungsbetrieb», sagt Seiler Graf. Sie vermutet, dass diese Öffnungszeiten ein Relikt aus früheren Zeiten sind. «Als viele Frauen noch Hausfrauen waren und tagsüber viele Behördengänge für die Männer, die auswärts arbeiteten, erledigen konnten.»

Die Stadt Kloten zum Beispiel habe ihre Schalteröffnungszeiten angepasst, sagt die ehemalige Klotener Stadträtin. Dort sei die Verwaltung am Donnerstag zwar erst am Nachmittag, dafür aber bis um 19 Uhr geöffnet. «Ein Tag pro Woche mit längeren Öffnungszeiten wäre auch für kleinere Gemeindeverwaltungen machbar», findet Seiler Graf.

Generell plädiert die Politikerin für Online-Schalter. Trotzdem gebe es aber Leute, die Behördengänge nicht online erledigen könnten oder wollten. «Da müssen die Verwaltungen den Bürgerinnen und Bürgern entgegenkommen, indem sie zum Beispiel auch einmal einen Termin zu einer Randzeit anbieten.»

*Name der Redaktion bekannt.

veröffentlicht: 17. November 2022 16:55
aktualisiert: 17. November 2022 17:01
Quelle: ZüriToday

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