Zürich

Klassische Unverpackt-Läden haben keine Überlebenschancen

Nachhaltigkeit

Zürcher Unverpackt-Läden kämpfen ums Überleben

· Online seit 21.02.2024, 22:00 Uhr
Läden ohne Plastikverpackungen – vor ein paar Jahren eröffneten überall im Kanton Zürich solche Geschäfte. Doch der Hype ist vorbei. Viele Läden haben wieder geschlossen oder kämpfen um ihre Existenz.
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Das Unverpackt-Konzept stiess vor wenigen Jahren noch auf grossen Anklang: Lebensmittel und Kosmetik nicht in Plastikverpackungen kaufen, sondern in wiederverwendbaren Gefässen mitnehmen. So lassen sich Abfallberge verkleinern und die lokale Wirtschaft unterstützen, lautete das Versprechen. Nachhaltigkeit war das Gebot der Stunde und viele kleine Läden mit dem Unverpackt-Konzept öffneten ihre Türen.

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Anfang 2024 ist der Hype der Anfangsjahre vorüber. Zahlreiche Unverpackt-Läden kämpfen ums Überleben oder mussten den Betrieb bereits einstellen. Laut einer vor kurzem im Deutschland publizierten Umfrage macht den Jungunternehmen vor allem der Widerspruch zwischen Einstellung und tatsächlichem Einkaufsverhalten zu schaffen. Zwar findet eine Mehrheit der Kundinnen und Kunden das Unverpackt-Konzept toll, aber nur eine Minderheit will auch regelmässig dort einkaufen.

«Alle finden es super, keiner kommt.»

Mehrere Unverpackt-Läden im Kanton Zürich mussten bereits schliessen oder stehen kurz davor. So auch «Fürst unverpackt» in Bülach. «Wir hatten einen zu schwachen Umsatz, immer weniger Kunden; daher der Entscheid, Schliessung und Umwandlung in Click-&-Collect-Lösung», erklärt Mitgründer Daniel Fürst auf Anfrage von ZüriToday. Der Plan sei nun, im Mai dieses Jahres den Laden zu schliessen und spätestens im Juli zum neu aufgebauten Webshop überzugehen, bei dem die Kunden immer noch einen Grossteil der Produkte beziehen können sollen.

Ursachen für das Scheitern des Ladens gibt es laut Daniel Fürst mehrere. Zum einen würden die grossen Lebensmittelhändler massiv Werbung machen und dabei auch vor sogenanntem «Greenwashing», also dem Suggerieren eines nachhaltigen Images, nicht zurückschrecken. Zum anderen bestehe bei der Käuferschaft eine «Mir-egal-Stimmung». Alle würden zwar von Nachhaltigkeit und Bio schwärmen, wirklich umsetzen tue es aber kaum jemand. Zusammengefasst: «Alle finden es super, keiner kommt.»

Bereits erwischt hat es auch den Umdenker-Laden in Uitikon. Am 10. Februar war dort zum letzten Mal einkaufen möglich. In einem Blogbeitrag schildert Inhaberin Birte Pust ihren Weg von der Gründung im Jahr 2018 bis zur Geschäftsaufgabe. Steigende Preise, fehlende Kunden, schwindendes Interesse am Thema Nachhaltigkeit – die Liste der Probleme ist lang. «Wir sind schlichtweg dem Markt zum Opfer gefallen und haben nicht mehr den Schnauf, noch länger durchzuhalten», schreibt Pust. «Die ersten Male laut auszusprechen, dass Umdenker nicht funktioniert, und ich aufgebe, war extrem hart. Aber jetzt, mit ein wenig Abstand, weiss ich, dass es die richtige Entscheidung ist – wirtschaftlich und auch für mich.»

Unverpackt reicht als Standbein nicht

Eine Umfrage von ZüriToday zeigt, dass es jenen besser geht, die ihr Geschäftsmodell breiter aufgestellt haben und kein reiner Unverpackt-Laden sind. Wie zum Beispiel der Bachser-Märt in Albisrieden. Patrick Honauer, Mitgründer des Bachser-Märt, sagt, ihrem Geschäft gehe es gut. «Wir verkaufen vieles offen, aber den grössten Teil abgepackt. Die Umsätze waren letztes Jahr stabil.» Herausforderungen spürt man aber trotzdem. «Leute sparen beim Essen, gehen eher in den Supermarkt», so Honauer.

Nicht nur im Kanton Zürich, auch in Bern, Solothurn und im Aargau häuften sich in den letzten Monaten die Schliessungen von Unverpackt-Läden. Nach vier Jahren kommt etwa der «Ohni» in Thun zu einem Ende:

Quelle: TeleBärn / Angus MacKenzie / Urs Grossenbacher / BärnToday / Dominic Flückiger / Warner Nattiel

Auch die Leiterin des Ladencafé Pfaffhüsli, Elisabeth Ziegler, hat die Erfahrung gemacht, dass mehrere Standbeine der Schlüssel fürs Überleben sind. Gestartet als Genossenschafts-Projekt im November 2022, setzt das Geschäft in Pfaffhausen neben dem Verkauf von Produkten auf das Café als Quartiertreffpunkt, Veranstaltungen und einen 24-Stunden-Laden. Ganz ohne Herausforderungen läuft es aber auch im Pfaffhüsli nicht. Vor allem der Bekanntheitsgrad sei noch eine Baustelle, sagt Ziegler. Aber daran werde laufend gearbeitet. «Auch wenn wir noch nicht dort sind, wo wir gerne wären und die finanzielle Situation zwischendurch immer noch prekär ist, habe ich ein ganz klares Motto: Aufgeben gibt es nicht!»

Bei allen Unverpackt-Läden, bei denen ZüriToday nachgefragt hat, sei die grösste Herausforderung, im sehr gesättigten Detailhandelsmarkt bekannt zu werden und Fuss zu fassen. Wenn man dies aber mal getan habe, liefe es ziemlich gut. Das gilt allerdings nicht für die klassischen Unverpackt-Läden. Ihre Zeit scheint tatsächlich vorbei zu sein.

veröffentlicht: 21. Februar 2024 22:00
aktualisiert: 21. Februar 2024 22:00
Quelle: ZüriToday

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