Zürich

Zürcher Ärzte und Politikerinnen wollen «Numerus Clausus» abschaffen

Ärztemangel

Zürcher Ärzte und Politikerinnen wollen «Numerus Clausus» abschaffen

· Online seit 29.09.2023, 07:58 Uhr
Auch im Kanton Zürich mangelt es an Hausärztinnen und -ärzten. Zugleich rasselt potenzieller Nachwuchs oft durch den Test für das Medizinstudium an der Uni Zürich. Zürcher Ärzte und eine Politikerin fordern mehr Studienplätze und ein Ende des Tests.

Quelle: ZüriToday / Linus Bauer

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Ohne den kniffligen Eignungstest zu bestehen, bleibt ein Medizinstudium an der Universität Zürich ein Traum. So ergeht es zurzeit der 22-jährigen Siham Ali. Sie scheiterte bereits dreimal am Eignungstest. Der im Volksmund als «Numerus Clausus» bekannte Eignungstest für das Medizinstudium (EMS) regelt die Zahl der Studienplätze.

Ein Silberstreifen am Horizont für alle, die mit dem Test kämpfen, ist ein kürzlicher Entscheid des Zürcher Regierungsrats. Dieser erhöhte die Aufnahmekapazität der Medizinischen Fakultät für das Studienjahr der Bachelorstudiengänge 2024/2025 um acht Plätze. Insgesamt stehen dann 380 Studienplätze zur Verfügung.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich legt jährlich die Zahl der Studienplätze für die Humanmedizin fest. Übersteigt die Anzahl der Anmeldungen bei Swissuniversities, der Konferenz der Rektorinnen und Rektoren der schweizerischen Hochschulen, die Zahl der Studienplätze, beschliesst der Regierungsrat, ob Zulassungsbeschränkungen angeordnet werden. Der Regierungsrat kündigte an, im Frühjahr 2024 zu entscheiden, ob für das Studienjahr 2024/2025 eine Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium nötig ist.

«Ein reiner Intelligenz-Fleiss- und Schnelligkeitstest»

Geht es nach Stefan Langenegger, Vizepräsident des Haus- und Kinderärzteverbands Zürich, lösen acht zusätzliche Studienplätze das Problem des Mangels an Hausärztinnen im Kanton Zürich nicht. Verlässliche Zahlen für den Mangel im Kanton Zürich gebe es nicht, sagt Langenegger. Test-Anrufe des Verbands in verschiedenen Regionen zeigten aber auf, wie akut der Mangel sei. «Bis zu 30 Telefonanrufe sind in Arztpraxen nötig, um einen neuen Hausarzt innert nützlicher Frist zu finden.»

Langenegger fordert, dass die Zahl der Medizinstudienplätze an der Uni Zürich mindestens verdoppelt wird. Zudem müsse der Kanton dafür sorgen, dass der Hausarztberuf wieder attraktiv werde. «Wegen der administrativen Hürden und steigenden Kosten überlegt sich ein Hausarzt heute dreimal, ob er auf dem Beruf bleiben will.»

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Auch den Eignungstest für das Studium würde er abschaffen. «Dieser Test ist ein reiner Intelligenz-Fleiss- und Schnelligkeitstest und prüft keine ärztlichen Kompetenzen.» Damit die Studienplätze trotzdem nicht von Medizinstudenten überrollt werden, schlägt er vor, die Hausarztmedizin als separaten Studiengang anzubieten. «Dann studieren diese Studienrichtung auch wirklich nur diejenigen, die Hausärztin oder Hausarzt werden wollen.» Unter diesen Umständen könnte der Kanton den Ärztemangel schneller in den Griff bekommen.

Probesemester als Alternative

Auf politischer Ebene laufen Bestrebungen gegen den «Numerus Clausus». Die Zürcher GLP-Kantonsräte und Nationalratskandidaten Chantal Galladé und Patrick Hässig fordern in einem Positionspapier mit Forensiker Frank Urbaniok unter anderem eine Abschaffung des Numerus Clausus.

«Ich bezweifle, dass der Eignungstest über die Fähigkeiten einer zukünftigen Ärztin oder eines zukünftigen Arztes entscheiden kann», sagt Chantal Galladé. Die Spitäler und Praxen holten mangels Nachwuchs Personal aus Deutschland oder auch aus weiter entfernten Ländern. «Es macht keinen Sinn, inländisches Potenzial nur wegen eines solchen Tests brachliegen zu lassen.»

Galladé schweben andere Selektionsmittel vor. «Die Universitäten könnten zum Beispiel Probesemester einführen, um den Bedarf an Ärztinnen und Ärzten vermehrt durch Menschen aus dem Inland zu decken.»

«Können nicht so viele ausbilden»

Raffaela Fehr (FDP), Präsidentin der Aufsichtskommission Bildung und Gesundheit im Zürcher Kantonsrat, unterstützt die Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen. Eine konkrete Zahl könne sie nicht nennen. «380 Plätze sind jedenfalls noch zu wenig.» Am Eignungstest will sie dagegen festhalten. «Heben wir diesen auf, werden viel mehr Personen Medizin studieren wollen, als die Uni Zürich ausbilden kann.» Deshalb sei eine Vorselektion wichtig. «Ob der Test die richtigen Leute herausfiltert, kann ich nicht beurteilen.»

Im Juli 2023 absolvierten schweizweit 3090 Personen den EMS. Davon erhielten 1220 Personen einen Studienplatz, wie Martina Weiss, Generalsekretärin von Swissuniversities, auf Anfrage sagt. Die Zulassungsquote, die mit der Nachfrage schwanke, sei zwischen 2016 und 2018 dank zusätzlich geschaffenen Studienplatzkapazitäten gestiegen und seither wieder leicht gesunken. «Die Nachfrage nach Studienplätzen in der Humanmedizin stieg in den letzten Jahren an.»

Trotz einer Erhöhung der Anzahl Studienplätze sei die Zahl der Voranmeldungen bis zur Frist vom 15. Februar jeweils deutlich höher als die Kapazität gewesen, sagt Weiss. «Dies machte die Anwendung eines Numerus clausus notwendig.»

Laut Weiss handelt es sich bei der Begrenzung der Anzahl Studienplätze in Medizin um politische Entscheide. Diese hingen insbesondere mit den hohen Kosten des Medizinstudiums und der beschränkten Anzahl praxisbezogener Ausbildungsplätze in den Spitälern zusammen.

Im Hinblick auf den Hausärztemangel sagt Weiss: «Die Hochschulen sind sich der Situation des Fachkräftemangels bewusst und leisten mit qualitativ hochstehender Lehre, Forschung und Innovation einen wesentlichen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels.»

veröffentlicht: 29. September 2023 07:58
aktualisiert: 29. September 2023 07:58
Quelle: ZüriToday

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zueritoday@chmedia.ch