Die Behandlung mit Kälte, die Kryotherapie, ist eine uralte Praxis, die bereits von den alten Ägyptern und bis zu Napoleon dokumentiert ist. Sie hilft gegen Schmerzen und Entzündungen und es wird bei einer Vielzahl von Verletzungen und Erkrankungen fleissig gekühlt.
Den gesamten Körper kann man mit gasförmigem Stickstoff in der sogenannten «Kryosauna», oder Kältekammer herunterkühlen. Dort herrschen eisige Temperaturen um Minus 160 Grad. Diese Methode ist äusserst beliebt bei Hollywoodstars, Topmodels, Rheuma-Patienten und all jenen, die sich rasch den perfekten Körper und den ultimativen Anti-Aging-Effekt wünschen. Viele Sportler nutzen regelmässig Kältekammern, um nach einem Spiel oder einer Verletzung schneller wieder fit zu sein.
Die Ganzkörper-Kryotherapie wurde in den späten 1970er Jahren vom japanischen Arzt Dr. Toshima Yamauchi entwickelt. Die Methode wurde zur therapeutischen Behandlung von Rheuma und Arthritis angewandt. Eine Behandlung dauert nur drei Minuten.
Das soll die Eisschrank-Therapie bringen
Angepriesen werden Effekte wie gesündere und straffere Haut, Bekämpfung von Cellulite, Minderung von Falten und das Freisetzen von Endorphinen. Dazu soll die Therapie eine Stärkung des Immunsystems mit sich bringen, verbesserte Stressresistenz, Regulierung des Hormonhaushalts, die Muskelentspannung fördern, soll chronische Schmerzen und Entzündungen lindern, sowie die Schlafqualität verbessern.
Zu guter Letzt verliert man zwischen etwa 300 bis 700 kcal pro Sitzung. Manche Anbieter verheissen gar eine «Potenz- und Libido-Steigerung». Inhaberin der Cryosauna by Silvia im Schwyzerischen Feusisberg bestätigt die positive Wirkung: «Einer meiner Kunden hatte starke Arthrose in den Gelenken. Nach den regelmässigen Behandlungen war er schmerzfrei und ist es auch seither.» Silvia Baumann schreibt die Wirkung dem durch die Behandlung ausgelösten Kribbeln zu: «Der Körper wird durch die Kälte in eine Art Notzustand gebracht, wodurch er Selbstheilungsvorgänge aktiviert.» Sie selber wende die Methode regelmässig an und fühle sich dadurch viel leistungsstärker.
Happige Preise wegen teurem Stickstoff
Die Kehrseite des kalten Glücks sind die Preise: So zahlt man für eine Session rund 70 Franken, je mehr man bucht, desto günstiger wird eine Sitzung. Abos um die 50 Sessions kosten bei mehreren Anbietern um die 2000 Franken.
Lukrativ sei das Geschäft mit den Kältesaunen indes nicht, sagt Silvia Baumann. «Der Stickstoff ist enorm teuer. Man müsste über 100 Franken pro Session verlangen, damit es sich rentiert». Ihr Geschäft erziele mit anderen Geräten mehr Einnahmen.
«Es fehlen wissenschaftliche Belege!»
Bisher veröffentlichte Studien seien von geringer Qualität und meist nur auf junge Männer bezogen, daher nicht aussagekräftig, schreibt das internationale Netzwerk Cochrane Österreich der Donau-Universität Krems, welches Gesundheitsbehauptungen wissenschaftlich überprüft. «Es fehlen wissenschaftliche Belege!» steht auf deren Webseite geschrieben. Auch im Sport gebe es keine Belege für eine Wirksamkeit, etwa bei Muskelkater oder für eine erhoffte Steigerung der sportlichen Leistung.
Dem widerspricht Silvia Baumann. Es gebe inzwischen sehr viele aussagekräftige Studien und in der Schweiz zahle neu die Zusatzversicherung einiger Krankenkassen die jährlichen Kosten für Behandlungen bis zu 4500 Franken. «Wegen der Immunsystem stärkender und leistungssteigernder Wirkung, wird die Therapie nun sogar bei Long Covid erfolgreich angewandt», so Baumann.
Gefahren sind nicht zu unterschätzen
Die US-Aufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) wies bereits 2016 darauf hin, dass flüssiger Stickstoff zu Erfrierungen führen kann. Eine 24-jährige Mitarbeiterin eines Zentrums für Kryotherapie starb im US-Bundesstaat Nevada. Sie war nach Feierabend offenbar noch alleine in eine Kältekammer gegangen und ist erstickt.
In der Schweiz ist die Kryotherapie nicht sonderlich streng geregelt. Die Kältetonnen sind nach Kauf und einer Einführungsschulung mit Zertifikat vom Hersteller einsatzbereit.
Nicht jede Kundin sollte in die Kältekammer. Vorsicht geboten ist bei schwangeren Frauen, Menschen mit hohem Blutdruck, bei Herzproblemen und Lungenerkrankungen. «Abraten würde ich den Einsatz dieser extremen Temperaturen bei Menschen mit einer verminderten Sensibilität, da diese Erfrierungen nicht spüren könnten. Zudem wird die Behandlung in der Kältekammer stehend durchgeführt, das kann daher vielleicht eine Einschränkung für gewisse Patienten sein», sagt Barbara Lüscher, Dozentin BSc des Studiengangs Physiotherapie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
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