Unispital Zürich

VR-Brillen sollen bei der Behandlung von unheilbar Kranken helfen

· Online seit 27.08.2023, 12:59 Uhr
Als Palliativmediziner behandelt Dr. David Blum schwerkranke Menschen. Meist bis zum Lebensende. Am Zürcher Universitätsspital forschen er und sein Team an einem innovativen Ansatz: Unheilbar Kranke reisen in virtuelle Welten.
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Dr. Blum, zusammen mit Ihrem Team haben Sie die Behandlung von schwerkranken Patienten mit VR-Brillen untersucht. Können Sie die Studie erklären?

Der Gedanken, virtuelle Realität zu nutzen, kam uns während der Corona-Pandemie. Plötzlich kam es zu Besuchsbeschränkungen, Patientinnen und Patienten waren teils extrem alleine und isoliert. In dieser Zeit wollten wir Ihnen mit Hilfe von VR vor allem eines ermöglichen: Ein Treffen mit ihren Bezugspersonen – und das in 3D.

Wie ging es weiter?

Wir führten im Rahmen einer Doktorarbeit Umfragen durch und wollten herausfinden, was sich die Patienten am ehesten von VR erhofften. Neben den Gesprächen mit Freunden und Familie, kamen noch zwei weitere Wünsche zum Ausdruck: Zum einen das Reisen, etwa der Besuch des Eiffelturms in Paris. Und zum anderen das Eintauchen in virtuelle Welten, vielleicht der Aufenthalt in einem Meditationswald oder das Schwimmen im Meer. Leider hatten wir bei der Umsetzung unserer ursprünglichen Idee einige Hürden.

Weshalb?

Um mit den Liebsten daheim in 3D kommunizieren zu können, hätten spezielle Kameras dort installiert werden müssen. Schnell wurde klar, dass das Verhältnis Aufwand und Ertrag nicht vertretbar war. Schliesslich liefern Tools wie Skype oder Teams ja gute Möglichkeiten, sich per Video auszutauschen. Wir haben unsere ursprüngliche Idee also beiseitegeschoben und eine Studie mit den anderen beiden Möglichkeiten von VR gestartet.

Können Sie diese Studie genauer beschreiben?

Mehrere ausgewählte Patientinnen und Patienten gaben vor den VR-Sessions in einem Fragekatalog ihre allgemeine Belastung an. Sprich, sie gaben Informationen zu Schmerzen, aber auch zu psychischen Symptomen wie Einsamkeit oder depressiver Stimmung.

Um was für eine Art von Patienten handelt es sich?

Es sind Patientinnen und Patienten, die am Zürcher Universitätsspital palliativ versorgt werden. Sie haben eine nicht heilbare, schwere Krankheit. Sind oft ans Bett gefesselt. Etwa Patienten mit Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium.

Und diese durften also in virtuelle Welten eintauchen?

Genau. Es wurden dabei ganz unterschiedliche Reisen gemacht. Eine der Patientinnen zum Beispiel war in ihrem Leben einmal auf einer Safari. Und fand das grossartig. Also ermöglichten wir ihr eine Safari-Fahrt über die VR-Brille. Andere wollten in ruhigen Wäldern spazieren gehen, die Vögel zwitschern oder einen Bach plätschern hören. Und auch das ist mit VR sehr einfach möglich.

Haben Sie die Brillen selbst auch getestet?

Natürlich. Und ja, das ist schon eindrücklich, muss ich gestehen. Ich kann mich erinnern, dass ich einen virtuellen Tauchgang machte. Und auf einmal schwimmt da ein Wal an einem vorbei. Da bin ich kurz zusammengezuckt. Ich war tatsächlich kurz überwältigt.

Wie waren die Ergebnisse der Studie?

Die VR-Sessions kamen sehr gut an. Und auch die Symptome der Patienten erfuhren eine sichtbare Reduktion. Viele Studienteilnehmende berichteten davon, dass sie sich in der Welt «total vergessen konnten». Dass sie für einmal richtig abschalten konnten. Ein anderer Patient, der ans Bett gebunden ist und der im Rauchen noch eine der wenigen Freuden in seinem Leben sieht, verzichtete während der Studienzeit viel eher auf eine Zigarette. Auch das war sehr interessant zu beobachten.

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Gab es denn auch negative Erfahrungen?

Bei manchen Patientinnen oder Patienten stieg die Müdigkeit. Was natürlich verständlich ist. Es handelt sich schliesslich um schwerkranke Menschen. Andere hingegen – und auch das ist ein wichtiges Learning aus der Studie – wünschten sich hingegen etwas aufregendere und unterhaltsamere VR-Welten. Ein wenig mehr Action, wenn man so will.

Die Studie ist abgeschlossen. Was ist nun geplant?

Wir planen nun eine deutlich grössere Studie. Und zwar mit Patienten, die auf eine Dialyse angewiesen sind. Also auf eine Blutwäsche. Diese Patienten müssen oft mehrmals pro Woche und das stundenlang im Krankenhaus an Maschinen angeschlossen sein. Wir denken, dass sich der Ausflug in eine virtuelle Realität während der Behandlungszeit gerade für diese Art von Patienten durchaus eignet.

veröffentlicht: 27. August 2023 12:59
aktualisiert: 27. August 2023 12:59
Quelle: ZüriToday

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