Tötungsversuch

Zugschubser bestreitet Tötungsabsicht im Hauptbahnhof Zürich

12.12.2023, 13:58 Uhr
· Online seit 12.12.2023, 06:24 Uhr
Ein 30-jähriger hat zugegeben, 2021 eine Frau im Zürcher HB auf die Geleise gestossen zu haben. Er habe auf Stimmen in seinem Kopf gehört, sagte der psychisch kranke Eritreer vor Gericht. Sein Verteidiger plädierte dafür, dass der Mann in der Schweiz bleiben kann.

Quelle: CH Media Video Unit, Archivbeitrag vom 14. Mai 2021.

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Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass ein Zug einfahre, hielt der Beschuldigte am Dienstag am Zürcher Obergericht fest. Die Frau kannte er nicht, sie war ein Zufallsopfer.

Eine eigentliche Erklärung, warum er beim Vorfall im Mai 2021 genau diese Frau gestossen habe, hatte der 30-Jährige nicht. Die Stimmen im Kopf hätten ihm Befehle gegeben, er sei sehr gestresst gewesen. Zuvor sei er in Genf gewesen, wo er bei diversen Botschaften «reklamiert» habe, ebenfalls auf Befehl der Stimmen.

Die Frau gelangte wieder aufs Perron zurück, bevor der Zug bei ihr angekommen war. Die Vorinstanz hatte den Eritreer wegen versuchter Tötung und weiteren Delikten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dazu kamen eine Geldstrafe und eine Busse. Wegen seiner psychischen Erkrankung wurde die Freiheitsstrafe zugunsten einer stationäre Massnahme aufgeschoben.

Kampf gegen Landesverweisung

Der Verteidiger stritt den Vorwurf der versuchten Tötung ab. Sein Mandant habe die Frau nicht bewusst vor einen Zug gestossen, dieser sei noch weiter entfernt gewesen. Zudem habe er nur ein Tempo von 10 km/h aufgewiesen und habe rechtzeitig bremsen können. Bei der Höhe der Strafe sei auch kaum berücksichtigt worden, dass der Beschuldigte fast vollkommen schuldunfähig war, meinte der Verteidiger.

Ebenfalls droht dem Mann die Landesverweisung. Acht Jahre hatte die Vorinstanz ausgesprochen. Der 30-Jährige sei in Eritrea gefährdet, als Deserteur und Geflüchteter, sagte der Verteidiger.

Vor Gericht erzählte der Beschuldigte, dass er Gräueltaten miterleben musste. Schon als 11-Jähriger sei er ins Gefängnis gesteckt worden, mit 13 Jahren habe ihn das Militär eingezogen. Er habe mitansehen müssen, wie Kollegen getötet wurden und sei im Gefängnis gefoltert worden. Bis 2014 sei er im Militär gewesen. Seit 2016 lebt er in der Schweiz.

Für den Verteidiger war klar, dass sein Mandant aufgrund der Vorgeschichte ein Härtefall ist. Er mache zudem Fortschritte in der Klinik. Mit der richtigen Betreuung und Medikation für seine paranoide Schizophrenie stelle er keine Gefahr dar.

Bitte um letzte Chance

Neben dem Vorwurf der versuchten Tötung werden dem 30-Jährigen diverse andere Delikte zur Last gelegt. So soll er fahrlässig ein Feuer in seinem Zimmer entfacht und einen Gottesdienst gestört haben.

Er habe wegen seiner Krankheit so gehandelt, liess der Beschuldigte übersetzen. «Heute weiss ich, wie schlimm das für andere gewesen sein muss. Dafür will ich mich entschuldigen», sagte er. Die Richter bat er um eine letzte Chance, um in der Schweiz bleiben zu können.

Die Richter kamen am Dienstag nicht mehr dazu, ein Urteil zu fällen. Es dürfte im Januar mündlich eröffnet werden.

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(sda/osc/zor)

veröffentlicht: 12. Dezember 2023 06:24
aktualisiert: 12. Dezember 2023 13:58
Quelle: ZüriToday

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