Prozess

Zürcher Stadträtin bedroht: Gericht ordnet kleine Verwahrung an

11.03.2022, 19:15 Uhr
· Online seit 11.03.2022, 15:05 Uhr
Der 32-jährige Schweizer, der die Zürcher Stadträtin Karin Rykart (Grüne) bedroht hatte, ist am Freitag in eine kleinen Verwahrung eingewiesen worden. Das Zürcher Bezirksgericht kam zum Schluss, dass er wegen seiner paranoiden Schizophrenie nicht schuldfähig ist.
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Das Bezirksgericht sprach den psychisch Kranken zwar wegen mehrfacher Drohung, Körperverletzung und Tätlichkeiten schuldig. Allerdings sei er wegen seiner paranoiden Schizophrenie nicht schuldfähig, sagte der Richter.

Statt ins Gefängnis geschickt zu werden, erhielt der Schweizer deshalb eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 des Strafgesetzbuches, auch kleine Verwahrung genannt. Damit kann seine Krankheit in einer geschlossenen Institution therapiert werden.

Ohne Behandlung im Gefängnis

Allerdings muss dafür erst noch ein Platz frei werden: Seit seiner Verhaftung im Juni 2021 sitzt der Mann in einem normalen Gefängnis, ohne Behandlung. Grund dafür ist der Platzmangel in den Institutionen, die stationäre Massnahmen durchführen können.

«Er wartet schon viel zu lange auf eine Behandlung», sagte der Richter dazu. Es müsse möglich sein, nun endlich einen Therapieplatz zu finden, der Staat habe eine Fürsorgepflicht. «Wir gehen davon aus, dass der Druck auf die Vollzugsbehörden mit dem heutigen Urteil nun erhöht wird.»

In Restaurant bedroht

Der Vorfall vom Juni 2021 in einem Restaurant am Limmatquai war für die Stadträtin Karin Rykart so bedrohlich, dass sich die Polizeivorsteherin selber an die Stadtpolizei wandte und Anzeige erstattete.

Rykart sass mit ihren Stadtratskollegen Daniel Leupi (Grüne) und Andreas Hauri (GLP) über Mittag an einem Tisch, als der damals 31-jährige Beschuldigte an Rykart herantrat und fragte, wie viele Polizisten sie «eigentlich noch auf ihn hetzen wolle». Er werde sie «platt machen» und «fertig machen», wenn er sie wiedersehe.

Zum Zeitpunkt der Drohung war er wegen seiner Schizophrenie der festen Überzeugung, dass sich die Justiz gegen ihn verschworen habe und er von der Polizei verfolgt werde. Den Behörden schickte er deshalb auch unzählige Briefe.

Auch ein junger Finanzberater bekam die Wahnvorstellungen zu spüren. Der Beschuldigte war überzeugt, dass dieser ihm völlig unbekannte Mann ebenfalls Teil der Justiz-Verschwörung sei. In einem Café schlug er ihm deshalb zwei Mal ins Gesicht.

Bei einer anderen Gelegenheit griff der Beschuldigte seinen vermeintlichen «Verfolger» mit einem Veloschloss an und verletzte ihn leicht. Zudem drohte er, ihn «in Tausend Teile zu zerstückeln».

Sowohl Staatsanwalt als auch der Anwalt des Beschuldigten waren sich beim Prozess Anfang März einig, dass der Schweizer kein Straftäter im eigentlichen Sinn ist, sondern ein Patient, der Hilfe benötigt. Der Staatsanwalt hatte eine kleine Verwahrung gefordert, wogegen sich auch der Verteidiger nicht wehrte. Ihm ging es primär darum, dass sein Mandant endlich behandelt wird und nicht «mit seiner Krankheit in einer Zelle vor sich hin schmort».

veröffentlicht: 11. März 2022 15:05
aktualisiert: 11. März 2022 19:15
Quelle: sda

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