Feministischer Streik

Ciao Bella!

14.06.2023, 14:08 Uhr
· Online seit 14.06.2023, 13:37 Uhr
Liebe Frauen...zum Feministischen Streiktag ein paar Gedanken und eine Bitte von Barbara Lanz. Einer Chefin, aber vor allem einer von euch.
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Vier Jahre ist es her, seit ich zusammen mit Tausenden Frauen durch Zürich gelaufen bin und mich mit ihnen für die Gleichberechtigung eingesetzt habe. Heute Morgen durfte ich als Chefredaktorin die Forderungen der Streikenden entgegennehmen. In vier Jahren kann vieles passieren, aber eben doch nicht genug.

Eine der streikenden Journalistinnen fragte mich beim Besuch unseres Büros, ob denn niemand aus der Chefredaktion hier sei, um die Forderungen entgegenzunehmen. Du siehst das Problem? Eben.

Mir sagte vor vielen Jahren, als ich Praktikantin bei einer Zeitung war, eine Vorgesetzte, dass sie am meisten zu kämpfe habe mit Frauenkritik. Ich habe sie damals nicht verstanden, tue es aber heute.

Auf meinem Weg als Journalistin – er dauert nun schon über 20 Jahre – sind mir viele wirklich mühsame Männer begegnet. Gelitten habe ich jedoch leider vor allem unter der so genannten Stutenbissigkeit.

«Karrieregeil», «Mannsweib», «Super-Emanze»

Es war nämlich eine Frau, die mich für meine erste Beförderung kritisierte. Ich bekam direkt aus einem Praktikum heraus eine Festanstellung und freute mich wie ein junger Hund, dass die Chefin offenbar Talent in mir sieht. Eine Arbeitskollegin war sich indes sicher, dass ich die Stelle bekommen habe, weil ich «der Chefin nach dem Mund rede».

Ich erinnere mich auch gut an den Tag, als mich ein Chef vor versammeltem Team fragte, ob ich meine Tage habe. Besser gesagt erinnere ich mich an die, die über diesen absolut deplatzierten Spruch gelacht hat.

Urteile wie «karrieregeil», «Mannsweib» oder «Super-Emanze», ich habe sie alle schon gehört. Von Männern. Und leider auch von Frauen.

Nun sagte ich aber, dass viel passieren kann in vier Jahren, noch mehr in Jahrzehnten. Wenn wir Frauen heute am Feministischen Streik teilnehmen, dann ist schon das eine Veränderung. Heute setzen wir uns für die Gleichberechtigung von Menschen ein.

An dieser Stelle muss ich nicht erwähnen, wo bis heute noch Bedarf an Veränderung besteht, die Forderungen des Feministischen Kollektivs sind klar und zeitgemäss. Deshalb möchte ich diesen Platz hier nutzen, mich für mein ganz persönliches Anliegen stark zu machen.

Frauen, liebt euch!

Liebt euch selbst, liebt es, miteinander arbeiten zu können, euch zu fordern und zu fördern, ehrlich zueinander zu sein und füreinander einzustehen.

Supportet euch auch morgen, übermorgen und nächste Woche

Was mir aus meiner bisherigen Zeit im Journalismus nämlich wirklich geblieben ist, sind nicht etwa übergriffige Arbeitskollegen oder böszüngige Frauen. Es ist genau eine Frau. Jene Chefin, die mir damals aus meinem Praktikum eine Festanstellung gegeben hat, die mich supportet hat, motiviert und respektiert.

Die auch viele Jahre nach unserem Arbeitsverhältnis noch nach Updates aus meinem Leben fragt und die ich heute zu meinen Freundinnen zählen darf. Sie nannte mich übrigens immer Bella.

Und auch wenn ich jetzt schon leise Stimmen höre, dass wir Frauen uns ganz sicher nicht über Schönheit definieren sollen, muss ich sagen: Sie gab mir einfach immer ein gutes Gefühl.

In diesem Sinne, liebe Ex-Chefin und liebe Freundinnen, Kolleginnen und Konkurrentinnen, wenn ihr heute singt und demonstriert, dann denkt doch daran, dass ihr eure Bellas auch morgen, übermorgen und nächste Woche supportet.

Mit ganz viel Liebe, eure Boss-Bella

veröffentlicht: 14. Juni 2023 13:37
aktualisiert: 14. Juni 2023 14:08
Quelle: ZüriToday

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