Die Stiftung Tanne im Kanton Zürich ist eine Einrichtung, die sich auf Bedürfnisse von Taubblinden spezialisiert hat. Der 58-jährige Heimpfleger ist seit mehreren Jahren ein treuer Mitarbeiter und bekannt für seine «spezielle» Art – auch bei der Leitung, berichtet die "NZZ".
Dennoch sah niemand, was hinter geschlossenen Türen passierte. Bis der Pfleger von einem Praktikanten in flagranti bei einem sexuellen Übergriff erwischt wird. Der Mann wurde 2021 zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Ausserdem verhängte das Zürcher Obergericht eine zehnjährige Berufssperre.
Der Täter galt als «Behindertenflüsterer»
Im Auftrag des kantonalen Sozialamtes erstellten zwei Professorinnen der Hochschule Luzern eine Untersuchung über die Geschehnisse. Ihr Urteil lautete auf institutionelles Versagen. Die Schutzpflicht gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern habe die Stiftung ungenügend wahrgenommen. Die eigene Verantwortung bagatellisiere oder leugne die Stiftung anscheinend.
Sowohl Kolleginnen und Kollegen als auch Vorgesetzte haben die Grenzüberschreitungen des Pflegers nicht verhindert. Ein Chef des verurteilten Pflegers habe ihn als «Behindertenflüsterer» bezeichnet. Unter diesen Umständen trauten sich Mitarbeitende nicht, Kritik an ihm zu äussern.
Der 58-Jährige habe sich ausserdem gegenüber Opfern, Angehörigen und Mitarbeitenden Vertrauen erschlichen. Klientinnen und Klienten bot er «besondere Duscherlebnisse» mit zwei Brausen an, zu Eltern seines späteren Opfers baute er mit Textnachrichten eine Beziehung auf und gegenüber Kolleginnen und Kollegen behauptete er, einen speziellen Draht zu einem schwierigen Klienten zu haben. Dieses Vorgehen ist laut den Expertinnen ein klassisches Muster von Sexualstraftätern.
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Bei Kontrollen fielen keine Missstände auf
Die Stiftung Tanne wehrt sich gegen die Kritik aus dem Untersuchungsbericht. Der Täter habe Mitarbeitende getäuscht, weshalb es nicht möglich war, den Übergriff zu verhindern. Seine spezielle Art sei ausserdem kein Indiz für Grenzüberschreitungen. Und das Sozialamt habe bei Kontrollen nie Mängel beanstandet.
Als Reaktion auf den Bericht zogen die Verantwortlichen der Stiftung eine externe Beratungsstelle bei. Ausserdem wurden Regelungen und Schulungen ausgeweitet und Entwicklungen zur Prävention von Übergriffen eingeleitet. Der langjährige Gesamtleiter verlässt die Stiftung ausserdem per Januar 2024. Ob der Abgang etwas mit den Vorfällen zu tun hat, ist unklar.
(joe/lba)