Corona-Demo in Oerlikon

«Massnahmengegner wollen eine Parallelgesellschaft aufbauen»

17.02.2022, 21:03 Uhr
· Online seit 17.02.2022, 10:40 Uhr
Am Samstag findet in Zürich Oerlikon eine bewilligte Anti-Massnahmen-Demo statt. Mit dabei sind wohl auch rechtsextreme Gruppen. Ein Szenekenner erklärt, wie es so weit kommen konnte – und weshalb es trotz Massnahmen-Aufhebung weitere Demos geben wird.

Quelle: CH Media Video Unit / Silja Hänggi Am vergangenen Samstag prallten Rechts- und Linksextreme aufeinander - es kam zu Krawallen.

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Das «Aktionsbündnis Urkantone» ruft für Samstag zu einer nationalen Kundgebung auf dem Marktplatz in Oerlikon auf. «Für die endgültige Aufhebung aller Corona-Zwangsmassnahmen», steht auf dem Flyer, der auf der Website des Aktionsbündnisses prangt. Auch in diversen Telegram-Kanälen von nahestehenden Gruppierungen wird er fleissig geteilt.

Die Kundgebung ist bewilligt. Dies bestätigt die Stadtpolizei Zürich gegenüber ZüriToday. Die Bewilligung sei bereits Ende Januar erteilt worden – also noch vor den Demonstrationen vom vergangenen Samstag in Zürich. Bei diesen hatten Massnahmengegner wie auch Gegendemonstrierende aus dem linken Lager die Polizei auf Trab gehalten.

Quelle: ZüriToday / Eduard Brand Am Limmatquai wütete der Schwarze Block.

Das Ziel ist eine neue Gesellschaft

Dass der Bundesrat auf Donnerstag nun fast alle Corona-Massnahmen aufgehoben hat, konnten die Initianten Ende Januar bloss erahnen. So stellt sich die Frage: Braucht es eine Demo drei Tage später überhaupt noch? Die Antwort lautet wohl: Es geht den Demonstrierenden gar nicht mehr um die Massnahmen, auch wenn dies auf dem Flyer zuoberst steht. Dieser Ansicht ist zumindest G., ein Szenekenner, der anonym bleiben möchte.

«Gruppierungen wie das Aktionsbündnis, ‹Mass-Voll› oder die Freiheitstrychler werden auch weitermachen, nachdem alle Massnahmen abgeschafft wurden», so G., der Mitglied des Recherchekollektivs Element Investigate ist. Dieses beobachtet seit rund vier Jahren politische Gruppierungen intensiv, unter anderem auch radikale. G. ist überzeugt: «Viele verfolgen das Ziel, eine Parallelgesellschaft aufzubauen, mit eigenen Schulen, Medien und Krankenkassen.»

Die Mehrheit ist nicht rechtsextrem

Er verweist auf eine Aussage von Michael Bubendorf, dem ehemaligen Vorstandsmitglied der «Freunde der Verfassung.» Dieser habe klar kommuniziert, dass er die aktuelle Regierung nicht mehr akzeptiere. «Das Vertrauen in den Staat ist zu sehr erschüttert, als dass nach Ende der Pandemie wieder alles gut würde», so G. «Sie sind überzeugt, dass sich die Politik, die Presse und die Antifa gegen das Volk verschworen haben.» Deshalb werde es weitere Demos geben.

Bei diesen würden auch immer mehr einschlägige rechtsextreme und faschistische Bündnisse mitmarschieren. «Sie sind aber eine Minderheit. Die ‹Junge Tat› etwa hat rund 30 Mitglieder, das sind verhältnismässig wenig.» G. nennt weitere Gruppen, die an den Demos anzutreffen sind: Die «Swiss Mens Club of Freedom» oder die «Blood & Honour» mit Ursprung in England. Die Mehrheit der Demonstrierenden sei grundsätzlich friedliche, aber mit dem Staat unzufriedene Bürgerinnen und Bürger.

Gegendemo ist unwahrscheinlich

Sie seien allerdings an einem Punkt angelangt, an dem der Zweck die Mittel heiligt, sagt G. «Der Zusammenhalt im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner, den Staat, überwiegt die ideologischen Unterschiede.» So würden Demonstrierende, die überhaupt nicht rechtsextrem sind, die Präsenz von Neonazis plötzlich dulden. In Deutschland sei das schon anfangs der Pandemie passiert. «Rechte Aktivisten waren da teils federführend und hielten sogar Reden.»

G. rechnet am Samstag in Oerlikon mit der Anwesenheit von Neonazis. Dass die Demo bewilligt wurde, ändere nichts dran, im Gegenteil: «Die Polizei muss sie dadurch eigentlich vor Gegendemonstrierenden schützen.» Er glaubt aber, dass eine erneute Gegendemo wie letzten Samstag ausbleibt. «Da verlegten viele Antifaschisten aus anderen Städten ihre Demos nach Zürich. Eine Woche später wäre zu früh, um das gleich zu wiederholen.»

Veranstalter fordert Gegenmassnahmen

Auf das Mitlaufen von Rechtsextremen angesprochen, teilt das Aktionsbündnis Urkantone gegenüber ZüriToday mit, dass diese nicht toleriert und falls notwendig weggewiesen würden. Man bedauere allerdings, dass die «nach Einschätzung von Politologen politisch bedeutungslosen Neonazis» dazu verwendet werden, einen friedlichen Protest zu diskreditieren.

Dass trotz Massnahmen-Aufhebung am Samstag eine Demo stattfindet, begründet das Bündnis wie folgt: «Wir fordern Massnahmen, damit es nie wieder zu einer Gesundheitsdiktatur kommen kann.» Es gehe nun darum, beispielsweise das Epidemiengesetz ausser Kraft zu setzen. Sonst könne jederzeit wieder «eine Pandemie aus dem Hut gezaubert» werden.

Grundsätzlich sei man eine politische Organisation und wolle die gesamte Gesellschaft verändern und verbessern. «Mit Parallelgesellschaften hat das nichts zu tun», reagiert das Aktionsbündnis auf G.s Aussage.

veröffentlicht: 17. Februar 2022 10:40
aktualisiert: 17. Februar 2022 21:03
Quelle: ZüriToday

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