Prozess

Auto-Abschlepper vor Bezirksgericht Bülach: «Ein gebrochener Mann»

· Online seit 01.02.2022, 19:00 Uhr
In Zürich schleppte er Autos ab, in Namibia ist sein mit Corona-Geld gekaufter Wohnwagen konfisziert worden: Am Montag stand der ehemalige Inhaber einer Abschleppfirma unter anderem wegen Nötigung, Erpressung und Betrug vor dem Bezirksgericht Bülach. Ihm drohen sieben Jahre Freiheitsstrafe, das Urteil wird im März verkündet.
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Fast fünfzig Punkte listet die Anklage im Fall des 40-Jährigen, der sich im vorzeitigen Strafvollzug befindet, auf: So soll er im Kanton Zürich mehrfach Fahrzeuge von Privatparkplätzen abgeschleppt haben, basierend auf Vereinbarungen mit den Parkplatzbesitzern, aber ohne konkreten Auftrag. Und zwar auch wenn die Falschparkierenden niemanden behinderten, wie etwa nachts oder am Wochenende.

Laut Anklage konnte er so seine Leistungen höher bepreisen. In einem Fall forderte der Beschuldigte 850 Franken von einem am Sonntag Abgeschleppten. Der wollte das Geld nicht vor Ort bezahlen, seine Frau beglich die Kosten am Folgetag - die dann bei 1152 Franken lagen.

Er soll generell überrissene Preise für das Abschleppen verrechnet und durch Androhung noch höherer Kosten bei späterer Bezahlung Druck ausgeübt haben. Laut Anklage verweigerte er teils auch die Herausgabe der Fahrzeuge, solange die Fahrzeuginhaber nicht direkt bezahlten.

Seine einzige Motivation sei finanzielle Bereicherung gewesen, sagte die Staatsanwältin. Dazu habe er auch die Notsituation der Fahrzeughalter ausgenutzt. Das Zurückhalten von Fahrzeugen sei ihm nicht zugestanden, darauf sei er früher schon hingewiesen worden. «Alles andere sind Schutzbehauptungen.»

Der Beschuldigte musste sich unter anderem wegen Nötigung, Erpressung und Sachentziehung vor dem Gericht verantworten. Dazu kommt noch eine Anklage wegen Betrugs: Im März 2020 beantragte er einen Corona-Geschäftskredit, obwohl er keinen Anspruch darauf hatte. Ihm wurden 230'000 Franken auf das Geschäftskonto überwiesen.

Geld für Auslandsaufenthalt und Wohnwagen

Damit überbrückte er laut Anklage aber er nicht irgendwelche Liquiditätsprobleme der Firma während der Coronapandemie. Stattdessen finanzierte er sich einen längeren Aufenthalt in Sambia und Namibia – samt in der Schweiz gekauftem Wohnwagen im Wert von rund 56'000 Franken. Das Abschleppfahrzeug nahm er auch gleich mit auf die Reise, als Zugmaschine. Obwohl dieses gepfändet war.

Die Fahrzeuge stehen laut Angaben des Beschuldigten zurzeit beim namibischen Zoll. «Richtig war das nicht von mir, aber es hat so stattgefunden», sagte er zu seinem Corona-Kredit. Allerdings nur zum ersten. Der Antrag für einen zweiten Kredit in fast der doppelten Höhe, der abgelehnt worden war, sei nicht von ihm getätigt worden.

Wie es bezüglich der Abschleppungen zu den zahlreichen Anzeigen gegen ihn gekommen sei, verstehe er nicht. «Ich habe immer versucht, freundlich und zuvorkommend zu sein und habe oft sogar einen Kaffee offeriert im Büro.» Der Richter entgegnete, dass die Wahrnehmung der Geschädigten dahingehend sehr anders sei.

Arbeit gemäss Abmachung

Der Verteidiger des Beschuldigten sagte, sein Mandant habe Falschparkierende abgeschleppt. Es sei selbstverständlich, dass diese nichts Gutes über ihn zu berichten hätten. Seiner Arbeit sei er zudem nicht absichtlich nachts und am Wochenende nachgegangen, sondern zu jeder Zeit - und gemäss Abmachung mit den Parkplatzinhabern.

Auch habe beim Beschuldigten jederzeit der Wille bestanden, die Fahrzeuge herauszugeben. Dazu beruhten die Behauptungen, er habe übersetzte Preise verlangt, blosse Behauptung der Anklage «ohne Belege und Beweise».

«Die Untersuchungshaft hat einen prägenden Eindruck hinterlassen», sagte der Verteidiger. Und: «Mein Mandant ist ein gebrochener Mann.» Mittlerweile habe er zwei Kinder in Namibia und damit eine Familie, um die er sich kümmern wolle und müsse. Die Anklage schiesse mit der Forderung nach einer siebenjährigen Freiheitsstrafe mit «Kanonen auf Spatzen». Der Verteidiger forderte 24 Monate bedingt.

Nicht bloss ein «willenloses Werkzeug»

Die Staatsanwältin sagte, der Beschuldigte habe über die Zeit des Verfahrens viele und ausführliche, aber wenige konstante Aussagen gemacht. Er habe nichts ausgelassen, um vermeintlich gut dazustehen. So habe er etwa seinen ehemaligen Geschäftspartner im Nachhinein schlecht geredet, der beispielsweise für die Preisgestaltung verantwortlich gewesen sein soll. Der Beschuldigte sei aber nicht nur ein «willenloses Werkzeug» gewesen.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und eine bedingte Geldstrafe von 900 Franken, dazu kämen die Verfahrenskosten von über 12'000 Franken. Es stehen zudem Forderungen von Privatklägerschaften im Raum.

veröffentlicht: 1. Februar 2022 19:00
aktualisiert: 1. Februar 2022 19:00
Quelle: sda

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