Kein Billettkauf mehr in ZVV-Bussen

«Ich wehre mich gegen diese Art der Ausgrenzung»

· Online seit 14.07.2023, 19:02 Uhr
Schon im nächsten Jahr soll der direkte Billettverkauf in ZVV-Bussen eingestellt werden. Für einige regelmässige Passagiere ein absolutes No-Go. «Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir. So werden vor allem ältere Menschen immer mehr ausgegrenzt», klagt eine Betroffene.
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Im Laufe des kommenden Jahres stellt der ZVV den unrentablen Billettverkauf in seinen Bussen ein. Das wurde am Donnerstag in einer Medienmitteilung verkündet. Das Kaufen der Billetts an Bord würde nicht nur hohe Kosten verursachen, es sei oft auch der Grund für Verspätungen, erklärt eine Mediensprecherin des ZVV auf Nachfrage von ZüriToday.

«Irgendwann einmal sind wir vom Bus abhängig»

So gar nicht nachvollziehen wollen diese Überlegungen einige treue Passagiere. «Ich habe gestern davon erfahren und wirklich eine schlaflose Nacht hinter mir», erzählt die 62-jährige A. M. besorgt am Telefon. Ihr Mann und sie würden in Gossau wohnen. «Die Bushaltestelle haben wir direkt vor der Nase. Noch sind wir in der Lage, das Auto zu benützen, aber irgendwann mal wird das nicht mehr gehen. Und bisher hatten wir immer damit gerechnet, dass wir da den Bus nehmen könnten.»

Mit den neuen Ankündigungen des ZVV dürfte dies aber relativ schwierig für A.M. und ihren Mann werden. «Mein Mann ist über 70 und mit Technik und Digitalem schnell und leicht überfordert. Ich selbst wurde schon mehrmals gehacked und will nicht immer mit einer Kreditkarte rumlaufen müssen. Ich will davon nicht abhängig sein», erklärt sie.

«Sollen wir zum nächsten Bahnhof laufen?»

Ohne den Billettkauf an Bord des Busses wären die beiden gezwungen, zum nächsten grossen Bahnhof zu kommen, um dort ein Billett mit Bargeld zu lösen. «Heisst, wir müssten entweder nach Wetzikon oder nach Uster. Beide über fünf Kilometer entfernt. Sollen wir diesen Weg zu Fuss auf uns nehmen, oder wie?» Menschen, die älter sind oder keine Kreditkarte benützen möchten, würden durch solche Massnahmen nicht nur benachteiligt, sondern regelrecht ausgegrenzt, lautet der Vorwurf.

Eine Mediensprecherin des ZVV erklärt, wieso man sich zu dem Schritt gezwungen sieht. Der Anteil von Billetts, die beim Fahrpersonal gelöst werden, sei zum einen seit Jahren rückläufig. Die wenigen verkauften Billetts würden aber gleichzeitig überdurchschnittliche Kosten verursachen und im schlimmsten Fall sogar zu Verzögerungen im Fahrplan führen.

Ausserdem habe man sich natürlich Gedanken über Alternativen gemacht. «Zum einen wollen wir den Ticketverkauf inklusive Beratung via Telefon noch einfacher machen. So ist ab anfangs nächsten Jahres möglich, telefonisch gekaufte Einzeltickets direkt auf den SwissPass zu laden. Dies ist einfach und sicher und unserer Meinung nach eine vollwertige Alternative zum Billettkauf an Bord. Zum anderen wird es als Abfederungsmassnahme eine Art Notfallticket geben, ein reduziertes Sortiment das mit Kartenzahlung weiterhin im Bus gekauft werden kann.

Das Problem für Passagiere wie A. M. und ihren Mann: Auch diese Billetts werden nur per Karte lösbar sein. Bargeld wird es an Bord nicht mehr geben. «Wenn wir den Bus nicht nehmen können, weil wir kein Billett lösen können, dann sind wir wirklich aufgeschmissen», so A.M. bestürzt. «Ich möchte keine Kreditkarte. Ich habe keine Lust darauf, dass sensible Daten von mir irgendwo landen. Und ich habe etwas dagegen, dass ich ständig dazu gezwungen werde.»

Ausgrenzung der älteren Bevölkerung?

Für sie ist der Schritt des ZVV ein weiterer Beweis dafür, dass ältere Menschen durch Digitalisierung gerne ausgrenzt werden. «Letztes Jahr waren wir am Weihnachtsmarkt beim Bahnhof Stadelhofen und auch hier war nur Kartenzahlung möglich. Sehr schade. Aber ohne Weihnachtsmarkt kann man leben, ohne öffentlichen Verkehrsdienst wird es im Alter sehr schwierig. Da wird ein Teil der Bevölkerung ausgegrenzt und das finde ich nicht in Ordnung. Und dagegen werde ich mich weiter wehren.»

veröffentlicht: 14. Juli 2023 19:02
aktualisiert: 14. Juli 2023 19:02
Quelle: ZüriToday

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