Chronische Müdigkeit

Hilft bei Long Covid eine Multiple-Sklerose-Studie weiter?

21.02.2022, 11:04 Uhr
· Online seit 18.02.2022, 07:09 Uhr
Die Zürcher Schulthess Klinik forscht aktuell, wie Müdigkeit bei der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose entsteht. Dabei könnten auch Erkenntnisse für Long Covid gewonnen werden.
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Long Covid ist in aller Munde. Rund jeder fünfte Corona-Erkrankte dürfte laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) betroffen sein. Aus medizinischer Sicht kann aktuell aber nicht viel getan werden. Ein Forschungsprojekt der Schulthess Klinik in Zürich könnte nun aber zumindest indirekt helfen, Long Covid besser zu verstehen: Zusammen mit Neurowissenschaftsstudierenden der ETH und der Universität Zürich untersucht die Klinik nämlich die Ursachen eines häufigen Long Covid-Symptoms: die chronische Erschöpfung.

Im Zentrum des Projekts stehen Patienten der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose (MS). Diese befällt im Gegensatz zum Coronavirus nicht die Lungen, sondern die äussere Schicht der Nervenfasern im Zentralnervensystem. Die Symptome sind divers: von Sehstörungen über Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungserscheinungen. Mit Corona hat MS also kaum etwas gemeinsam. Und doch macht rund 80 Prozent aller Betroffenen, gleich wie bei Long Covid-Fällen, auch die chronische Erschöpfung zu schaffen, die sogenannte Fatigue. Es wird vermutet, dass diese durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden kann.

Fatigue wird oft nicht ernstgenommen

Diese Ursprünge genau zu erörtern, ist nun das Ziel des Forschungsprojekts der Schulthess Klinik. Hierfür werden die Stärken funktioneller Verbindungen im Hirn der Studienteilnehmenden untersucht, und zwar durch ein hochmodernes MRI-Verfahren. Dieses liefert mittels Magnetfeld-Technik genauen Aufschluss darüber, wie es im Innern eines Körpers aussieht und erlaubt, die Funktion des Gehirns zu messen. Des Weiteren messen die Teilnehmenden mit einem Armband während zehn Tagen ihre eigene Schlafqualität.

Die Forschungsergebnisse, die daraus resultieren, werden auf grosses Interesse stossen, ist Projektleiterin und Neurologin Zina-Mary Manjaly überzeugt: «Weil man den Betroffenen ihr Leiden von aussen nicht ansehen kann, wird es oft nicht richtig ernst genommen.» In Tat und Wahrheit sei Fatigue aber bei verschiedensten Krankheiten ein häufiges Symptom – neben MS und Long Covid auch bei Depressionen oder Krebs. «Ein genaues Verständnis, wie die Fatigue zustande kommt, fehlt uns aber bis heute,» so Manjaly weiter. 

Die Studie soll nun die Ursachen im Bereich Multiple Sklerose klären. Und hier könnte sich auch eine mögliche Konsequenz für Long Covid ergeben: Die Fatigue-Auslöser bei MS, die Manjaly und ihr Team aktuell identifizieren, könnten möglicherweise auch für andere Krankheiten relevant sein. «Bei MS ist es gut möglich, dass mehrere Mechanismen zusammenwirken und Fatigue auslösen.» Dieses Zusammenspiel von einzelnen Mechanismen könnte auch bei Long Covid der Fall sein.

45 Testpersonen brauchts noch

Deshalb sei die Forschung der Studie in Bezug auf die Mechanismen möglichst breit angelegt. «Eins zu eins auf andere Erkrankungen übertragen lassen, werden sich unsere Befunde aber nicht», stellt die Oberärztin jetzt schon klar. Dafür würden sich die beiden Krankheiten Multiple Sklerose und Long Covid zu wenig ähneln. Forschende und Studierende der ETH und die Universität Zürich würden Long Covid aber intensiv untersuchen.

Insgesamt 75 Personen sollen bis Dezember 2022 an der Studie teilnehmen. Bedingung dabei ist, dass die Testpersonen zwischen 18 und 50 Jahre alt sind und mit MS oder einem Klinischen Isolierten Syndroms (CIS) diagnostiziert wurden. Letzteres ist eine neurologische Funktionsstörung, die im Grossteil der Fälle in eine MS übergeht. Aufgrund dieser Kriterien sei es nicht einfach, genügend Teilnehmende zu finden, sagt Manjaly. «Bisher konnten wir erst 30 Personen finden.»

Wer den Teilnahmekriterien entspricht und Interesse hat, kann sich nach wie vor auf der Website der Schulthess Klinik anmelden. Trotz der Herausforderungen bei der Rekrutierung konnte Manjaly aber bereits einen Erfolg verzeichnen: Mit ihrem Projekt hat sie einen Forschungspreis der Förderstiftung Hemmi gewonnen. Diese zeichnet seit 2010 jährlich Arbeiten der medizinischen Forschung aus und unterstützt Manjaly nun mit 25'000 Franken. «Davon können wir alle profitieren – wir Forschenden, aber vor allem die Betroffenen.»

veröffentlicht: 18. Februar 2022 07:09
aktualisiert: 21. Februar 2022 11:04
Quelle: ZüriToday

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