Bei der kolonialen Vergangenheit der Schweiz hatten auch einige Zürcherinnen und Zürcher die Hände im Spiel. Dies zeigt eine aktuelle Ausstellung im Zürcher Stadthaus auf. Unter dem Titel «Blinde Flecken – Zürich und der Kolonialismus» will sie ein grösseres Bewusstsein für die kolonialen Verflechtungen Zürichs schaffen.
Die Besucherinnen und Besucher erfahren etwa, dass Leonhard Ziegler um 1802 nach dem Bankrott seiner Firma in Zürich nach Indien auswanderte, wo er als Aufseher auf einer Indigoplantage indische Bäuerinnen und Bauern bei Nachlässigkeiten mit der Reitpeitsche strafte.
Zu den ersten Zürchern, die vom Kolonialismus profitierten, zählt etwa auch Hans Felix Escher. Zusammen mit einem unbekannten Tagebuchschreiber kaufte er in Dakar 34 Senegalesinnen und Senegalesen. Die beiden Männer verschleppten die Sklaven über den Atlantik und verkauften sie in Brasilien und in der Karibik.
Diskriminierendes Gekritzel
Die Ausstellung führt den Besucherinnen und Besuchern kritisch vor Augen, dass die Menschen in der Schweiz bis heute wirtschaftlich vom damaligen Kolonialismus profitieren. Einige Stationen klären deshalb auch über Rassismus und Diskriminierung auf. Doch davon scheinen manche Besucherinnen und Besucher nichts verstanden zu haben.
Augenscheinlich wird dies bei der letzten Station der Ausstellung. Diese fordert die Besuchenden auf, mit einem weissen Stift auf einem Spiegel aufzuschreiben, was sie ihrer Meinung nach tun können, um antirassistisch und gegen andere Nachwirkungen von Kolonialismus zu handeln.
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Die beiden Spiegel sind übersät mit Wörtern und Sätzen. Unter den vielen guten Absichten ist aber auch viel Gekritzel zu finden. So hat jemand etwa folgenden Satz hinterlassen: «Wer das liest, ist gay». Ob Zufall oder nicht – der Satz steht gleich unter dem Vorhaben «Diskriminierung nicht tolerieren».
Bezug zum Thema fehlt
Der restliche Teil des Gekritzels ist harmlos, wirkt aber verhöhnend, da kein Bezug zur Aufgabe besteht. «FCZ», «Stop Smoking», «Juicy» (zu Deutsch: sexy, knackig), «Fussballer werden», «Volleyball ♥», «Dino Nuggets» (Dabei handelt es sich um ein Chicken-Nugget-Produkt, Anm. der Red.) oder «Messi is the greatest» sind nur einige Beispiele. Auch dürften sich vernünftige Ausstellungsbesuchende fragen, was Personennamen oder Namen von Social-Media-Profilen auf den Spiegeln verloren haben.
Im Sinne der Veranstalter ist das Gekritzel nicht. Denn bei der betreffenden Station machen sie darauf aufmerksam, dass ihnen ein respektvoller Dialog wichtig sei. Weiter steht: «Kommentare oder Passagen, die persönlichkeitsverletzend, rassistisch oder diskriminierend sind und/oder geltendes Recht verletzen, werden von der Stadt Zürich entfernt und dokumentiert.»