Neue Vermietungsverordnung

Droht bald etlichen Mietern der Rausschmiss aus der Stadtwohnung?

· Online seit 06.04.2023, 07:19 Uhr
Wer in Zürich ein niedriges Einkommen hat, kann von städtischen Wohnungen profitieren. Doch nicht alle Bewohnenden der Stadtliegenschaften erfüllen die Vorgaben noch. Die Einhaltung dieser soll mit einer neuen Verordnung nun regelmässig überprüft werden.
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Eine 3-Zimmerwohnung mit 62 Quadratmetern, für 1056 Franken im Monat – und das mitten im beliebten Kreis 3. Scheint unmöglich auf dem teuren Zürcher Pflaster? Bei Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ) gibt es solche Schnäppchen. Doch diese bewohnen nur Menschen, die nicht viel auf dem Bankkonto haben. So lauten zumindest die Vorgaben.

Wer einmal eine günstige Stadtwohnung ergattert hat, möchte diese verständlicherweise nicht mehr hergeben. Bisher musste man das auch nicht unbedingt. Es wurde nie überprüft, ob die Anforderungen nach längerer Mietdauer noch erfüllt sind. Dies soll jetzt aber vorbei sein. Denn eine neue Vermietungsverordnung sieht vor, die Einhaltung der Mietvorgaben regelmässig zu prüfen. Für viele Mietende mag dies das Aus bedeuten für günstige Wohnverhältnisse.

Jahrelang gegen Vorlagen verstossen

Davon betroffen ist auch G.M.*, ein langjähriger Bewohner einer städtischen Liegenschaft. Vor ungefähr zwölf Jahren ist er als teilzeitarbeitender Student in eine subventionierte 1-Zimmerwohnung gezogen. Nach seinem Studium startete er in der Arbeitswelt durch, mittlerweile arbeitet er in einer Führungsposition bei einer Sozialversicherung. Damit veränderte sich seine finanzielle Situation im Gegensatz zur Studi-Zeit immens. Seit rund sechs Jahren verdient G.M. mehr, als es die Vorgaben der LSZ eigentlich zulassen.

«Ich dachte mir immer, ich muss dann schon mal ausziehen», sagt G.M. im Gespräch mit ZüriToday. Daher habe er damals proaktiv bei der Stadt abgeklärt, was er nun tun soll. Die Verwaltung habe gesagt, die zuständige Stelle werde sein verändertes Einkommen überprüfen. Danach hat G.M. nichts mehr gehört – und er blieb wie gehabt in seinem Zuhause. Bis Mitte Februar 2023 das gefürchtete Schreiben im Briefkasten lag: G.M. muss raus aus seiner Wohnung.

Kennst du jemanden, der in einer städtischen Wohnung lebt und nicht mehr alle Konditionen erfüllt? Dann melde dich mit deiner Beobachtung:

Neue Verordnung räumt auf

Das ist eine direkte Folge der neuen Vermietungsverordnung der Stadt Zürich. Laut Kornel Ringli, Leiter Kommunikation von LSZ, werde die Verwaltung ab 2024 «die Einhaltung der Wohnsitz- und Mindestbelegungsvorgaben regelmässig, mindestens aber alle zwei Jahre, überprüfen».

Bisher hat LSZ laut Ringli nicht systematisch überprüft, ob die Mietbedingungen eingehalten werden. So konnten Mietende wie G.M. bis anhin meist unbemerkt vom günstigen Mietzins profitieren. Doch das soll nun nicht mehr möglich sein. «Aufgrund weniger Sonderfälle ist politischer Druck entstanden», sagt der Kommunikationsleiter in Bezug auf die Nichteinhaltung der Auflagen. Daher beschloss der Gemeinderat 2018 eine neue Vermietungsverordnung, in der «die Mietbedingungen genau geregelt sind», so Ringli.

Drei Vorgaben werden überprüft

Die neue Verordnung ist laut Kommunikationsleiter Ringli seit dem 1. Januar 2019 für neu abzuschliessende Wohnungsmietverträge anwendbar. Für bestehende Mieterinnen und Mieter gilt diese vollumfänglich ab dem 1. Januar 2024.

Neben der Mindestbelegung einer städtischen Wohnung (Zimmerzahl der Wohnung minus eins) sowie dem Wohnsitz werde künftig auch das Einkommen kontrolliert. Und zwar in anonymisierten Auswertungen, die anhand der Steuerdaten der Mietenden durchgeführt werden. Laut Ringli dürfen höchstens 15 Prozent aller städtischen Wohnungen an Menschen vermietet sein, die das massgebende Einkommen überschreiten.

Das Einkommen werde im Einzelfall nur überprüft, wenn die «anonymisierten Auswertungen zeigen, dass die 15-Prozent-Grenze verletzt ist», so Ringli. Trifft das ein, muss als erstes die Mieterschaft mit dem grössten Verdienst und Vermögen dran glauben. «Diese Mieterinnen und Mieter müssten das Mietobjekt verlassen», sagt der Kommunikationsleiter.

1,5 Jahre Schonfrist

«Ich finde es eigentlich auch voll okay, dass mir die Stadt jetzt geschrieben hat», sagt G.M., der offenbar auch zu den Meistverdienenden gehört. Er schaue sich seit Langem nach einer neuen Wohnung um. Jetzt gibt ihm die Stadt noch eineinhalb Jahre Zeit, um eine neue Bleibe zu finden. Ausserdem muss er ab sofort den vollen Mietzins ohne Subvention zahlen. Das sind lediglich 50 Franken mehr im Monat. «Das finde ich noch recht human», sagt G.M. zu den neuen Bedingungen.

Einige Mietende bereits ausgezogen

Die exakte Anzahl Mietender, welche die Auflagen seit Wohnungsbezug nicht mehr einhalten, ist laut Ringli noch unbekannt. «Insbesondere was die Einkommens- und Vermögens-Limite betrifft, ist es unmöglich, das im Moment zu sagen», sagt der Kommunikationsleiter. Diese Informationen wird die Stadt erst im Zuge der regelmässigen Überprüfungen ab 2024 erhalten.

Es wurden aber alle Bewohnenden der städtischen Wohnungen über die neue Verordnung informiert. «Einige Mieterinnen und Mieter haben im Hinblick auf die Änderung eine neue Wohnung gesucht», sagt Ringli weiter. Daher gehe LSZ nicht davon aus, dass es ab 2024 noch «grosse Überraschungen geben wird». Ob das der Fall sein wird, zeigt sich nach den ersten Auswertungen im Laufe des nächsten Jahres.

*Name der Redaktion bekannt.

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veröffentlicht: 6. April 2023 07:19
aktualisiert: 6. April 2023 07:19
Quelle: ZüriToday

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