Büezer in Zürich

Diese Berufsgruppen leiden in den bitterkalten Wintermonaten besonders

· Online seit 08.12.2022, 07:16 Uhr
Die kalte Jahreszeit zieht über Zürich. Und während die allermeisten im geheizten Büro ihre Computer-Jöbbli erledigen, schuften weniger Glückliche weiterhin im Freien. Vom zitternden Velokurier zum fiebrigen Maler, der auf seinen Rechnungen sitzen bleibt. Wir haben uns bei den Frierenden umgehört.
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Marcel, selbständiger Maler

«Die Arbeit im Freien ist im Winter nicht wirklich lässig. Deutlich anstrengender als im Hochsommer», erzählt Malermeister Marcel. «Warme Kleidung ist sicherlich das Wichtigste. Ich arbeite ausserdem gerne mit Wärmepäckli für meine Hände oder trage diese in den Schuhen. Damit man wenigsten dort nicht kalt hat. Und ich schaue, dass ich morgens und mittags ins Resti gehe, dort was Warmes trinke und mich so aufwärme.»

5 Grad Celsius sei der Richtwert und die unterste Grenze für winterliche Malerarbeit im Freien. Auch weil die Materialien sich bei sinkenden Temperaturen anders verhalten. «Es passiert aber gerne mal, dass man bei Minusgraden arbeitet.» Die Folge: Die Gesundheit leidet. «Dieses Jahr haben mich die Krankheiten besonders hart getroffen. Dreimal Angina seit September. Und als Selbständiger kann man da nicht einfach so daheimbleiben. Also versuche ich mit Medis entgegenzuwirken. Fürs richtige Auskurieren fehlt die Zeit.»

Noch ärgerlicher als die tiefen Temperaturen: Die Zahlungsmoral der Kunden. «Wir haben nicht nur weniger Aufträge. Die Leute zahlen auch einfach weniger pünktlich. Weihnachten steht vor der Tür, Steuern und Versicherungen müssen bezahlt werden. Da wird der Maler oder der Handwerker im Allgemeinen gerne ganz zum Schluss erst entlohnt. Vor allem für Selbständige wie mich ist das sehr belastend.»

Manuele und Reto, Bauarbeiter

«Das Zelt hier hilft extrem», erklärt Bauarbeiter Reto. Und deutet auf das kleine 2x2 Meter Plastikzelt am Rande der Baustelle. Mit einer winzigen Heizung und Kaffeemaschine ausgestattet, ist es dort drin wohlig warm. «Alle paar Stunden gibt es hier eine Pause zum Aufwärmen», sagt Kollege Manuele. Für die beiden ist klar: Die Arbeit im Winter hat sicherlich ihre Kritikpunkte. «Körperlich anstrengender ist es aber im heissen Sommer. Da sind wir eigentlich nur am Schwitzen. Im Winter kann man sich warm einpacken, dann ist es meistens erträglich.»

Mühsam werde es nur, wenn es zu stark regnet oder sogar schneit. «Da ist die Arbeit irgendwann eigentlich nicht mehr möglich. Wenn es zu viel schneit, bleibt die Baustelle geschlossen und die Arbeit auf der Strecke. Das nervt.» Ob sie wegen der tiefen Temperaturen öfter krank seien? «Eigentlich nicht. Die körperliche Arbeit hält uns fit. Und wenn man zu kalt hat, holt man sich einen Tee. Ganz einfach.»

Loric und Felix, beide Velokuriere

«Klar ist der Job als Velokurier im Winter ziemlich anstrengend. Es ist kalt, es regnet öfter, es wird früher dunkel. Das macht die Strassenverhältnisse auch schwieriger, der Job wird gefährlich. Vor allem in Zürich», erklärt Velokurier Loric. «Am schlimmsten im Winter ist der Regen. Schnee ist in Ordnung, aber der Regen macht richtig müde. Wenn die Füsse dann nach Stunden nass sind – was man fast nicht vermeiden kann – dann wird es verdammt unangenehm.»

«Gerade deshalb sind qualitativ hochwertiges Material und Equipment so wichtig», erklärt Felix, auch er seit Jahren als Velokurier unterwegs. «Man muss sich gut überlegen, wie viel Kleidung und welche Arten davon man tatsächlich braucht. Hat man zu wenig an, dann ist es zu kalt. Und das ist schlecht. Hat man zu viel an, dann schwitzt man und das ist im Winter fast noch schlimmer. Denn man kühlt danach viel schneller aus.»

Im Winter hätte man deutlich mehr Aufträge als im Sommer, aber viel weniger Personen, die den Job machen wollen. «Heisst: Wir fahren mehr, sind oft unterbesetzt, müssen für andere einspringen», sagt Felix. Er kritisiert auch ein gewisses toxisches Selbstverständnis in der Branche. Das Hart-im-Nehmen-Sein werde verherrlicht. «Das führt dazu, dass nur die Wenigsten sich beschweren, die Aufwärmphasen oder die Pausen einfordern, die ihnen eigentlich gesetzlich zustehen würden. Oder die Kosten für die sündhaft teure Ausrüstung und Kleidung vom Arbeitgeber bezahlen lassen.»

Ob die beiden im Winter öfter krank seien? «Eigentlich nicht. Im Gegenteil. Durch den vielen Sport fühle ich mich da meistens fitter und gesünder», erklärt Loric. Auch Felix sieht es so. «Vielleicht noch bei Winteranfang, wenn man die Temperaturen falsch einschätzt und zu viel oder zu wenig anzieht. Generell würde ich aber sagen, dass die Arbeit im Freien und der viele Sport mein Immunsystem im Winter stärken.»

Und was ist nun anstrengender? Ein heisser Sommertag oder ein kalter Wintertag? «Das ist vermutlich individuell anders. Ich bevorzuge ganz klar die Sommertage. Im Winter bei Regen und Schnee oder sogar Eis ist die Arbeit einfach richtig gefährlich. Man braucht mehr Konzentration und viel mehr Energie», so Felix. Gleiches gilt für Loric. Er sagt: «Ich fahre viel lieber an einem heissen Sommertag als an einem arschkalten Tag im Dezember.»

Du arbeitest im Winter auch im Freien? Wie geht es dir dabei. Schreib es uns in die Kommentare.

veröffentlicht: 8. Dezember 2022 07:16
aktualisiert: 8. Dezember 2022 07:16
Quelle: ZüriToday

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