Es gibt Themen, die sind heikel und bei Redaktorinnen und Redaktoren deshalb so gar nicht beliebt. Und dann gibt es Themen, bei denen man (!) praktisch nur ins Fettnäpfchen treten kann. Dazu gehören die abgekauten Diskussionen über gegenderte Sprache, verletzende Wörter, kulturelle Aneignung oder Inklusion im Sprachgebrauch. Hier ist das Eis dermassen dünn, dass Schreibende gerne einen ganz weiten Bogen um das Gewässer machen. Das erspart böse Kommentare und ordentlich Frust.
Sprachleitfaden soll Diskriminierung vermeiden
Nachdem die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW kürzlich dem eigenen Lehrpersonal einen Sprachleitfaden ans Herz gelegt hat (Inside Paradeplatz berichtete), der sich erhofft, obige Themen elegant abzudecken, ist – entgegen meinem besseren Wissen – jetzt trotzdem ein Kommentar fällig. Schliesslich müssen Medien über das berichten, was die Region bewegt.
Winterthur-Hochschule spielt Gender-Polizei https://t.co/NH5XJE7O2M
— InsideParadeplatz (@InsideParade) September 15, 2022
Soviel vorweg: Einen Grossteil der Empfehlungen der ZHAW würde ich so auch unterschreiben. Dass der «Student» zum «Studierenden» werden soll und die «Mutterschaft» zur «Elternschaft» ist richtig und wichtig. Nichtsdestotrotz muss sich hüten, wer die abertausenden Facetten und Nuancen, die eine Sprache und deren Entstehungsgeschichte mit sich bringt, militärisch durchtakten will. Und er (oder sie) muss sich dann nicht wundern, wenn Rechte und Frustrierte wütend «Sprachpolizei» krakeelen und bei geforderten Bezeichnungen wie «they» oder «sier» sauer abwinken.
In dem Moment, in dem eine Institution vorgibt, was jetzt deutsche Sprache ist und was nicht, tut sie das mit einer Attitüde, mit einem Charakterzug, den sie doch gerade jenen – verpönten – Wörtern vorwirft. Von oben herab, herrschend, keine andere Meinung duldend. In der Bildung spricht man hier gerne vom Paradoxon der Toleranz: Die Puristen der Toleranz dulden die Intoleranten nicht und machen sich damit selbst intolerant.
Vor allem aber verhindert, wer Wörter aus dem Alltagsgebrauch und aus dem studentischen Treiben streicht, eine intelligente, bewusste, kritische Auseinandersetzung mit ebenjenen. Und mit der – zugegeben teils tragischen Geschichte – die hinter den Wörtern steht. So sollen laut ZHAW Begriffe, die eine mögliche traumatisierende oder beleidigende Wirkung haben können, tunlichst vermieden werden. Ja, ganze Lehrwerke sollen ersetzt, Themen nicht behandelt werden, könnten sie doch verletzend sein.
Welchen Anspruch hat eine Hochschule?
Ein grandioser Fehler, wie ich finde. Vielmehr sollte jede Bildungsstätte die Pflicht und den Anspruch haben, über alles – selbst wenn es schmerzt – zu diskutieren. Jordan Peterson, kanadischer Psychologe und das Leuchtbild tausender eher rechts-gesinnter Zeitgenossen, sagte einmal in diesem Zusammenhang: «In order to be able to think, you have to risk being offensive.» Das Risiko, jemandem auf die Füsse zu treten, schwinge bei Diskussionen immer mit. Und das sei auch gut so.
#Gendern @ZHAW "Unerwünscht sind an der Fachhochschule, wo viele Banker einen Bachelor oder Masters absolvieren, die folgenden Ausdrücke:
— Mama Fratelli (@MamiFratelli) September 15, 2022
„Angestellte“, „jemand“, „Studentenvertretung“, „Teilnehmerliste“, „Anwaltskosten“, „fachmännisch“.
Hey, seid ihr noch Wissenschaftler?
Andernfalls könnte man sich allzu schnell in willkürlichen und oft sinnfreien Regelwerken wiederfinden, die irgendeinem Auserwählten das Recht zusprechen, darüber zu entscheiden, wie man spricht, denkt, handelt. Dass diese dystopische Annahme gar nicht allzu weit gedacht ist, zeigt ein kleiner Auszug aus dem ZHAW-Leitfaden. Hier wird der «Schwarzfahrer» zum «Reisenden ohne gültiges Ticket». Zu negativ sei die Konnotation mit dem Wort «Schwarz».
Idiotische Annahmen gehören diskutiert
Dabei zeigt ein kurzer Blick in die Etymologie des Wortes. Das «Schwarz» in «Schwarzfahren» soll seinen Ursprung im Jiddischen des 19. Jahrhunderts haben. «Shvarts» bedeutete damals so viel wie «Armut». Weitere Einflüsse auf die Wortschöpfung hat der illegale Charakter der Tat, die sich im Schatten, im Dunkeln, im Schwarzen eben abspielt. Auch der rotwelsche Begriff «schwärzen», mit dem zunächst der Schmuggel und dann alle möglichen Arten illegaler Freizeitbeschäftigungen bezeichnet wurden, spielte wahrscheinlich mit einher.
Kein klardenkender Mensch sollte dahinter eine beleidigende, rassistische, diskriminierende Natur vermuten dürfen, die auf die Hautfarbe des Fahrenden anspielt. Und falls doch, dann sollte eine Hochschule genau dafür da sein, um solche idiotischen Annahmen aus dem Weg zu räumen.