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Söldnerführer Prigoschin stirbt bei Absturz – was bislang bekannt ist

Russland

Söldnerführer Prigoschin stirbt bei Absturz – was bislang bekannt ist

25.08.2023, 07:25 Uhr
· Online seit 24.08.2023, 07:57 Uhr
Zwei Monate nach seiner rätselhaften Meuterei gegen die russische Staatsmacht ist der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin nach einem Flugzeugabsturz in Russland für tot erklärt worden. Bereits ranken sich wilde Spekulationen um den Absturz.
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Wer war an Bord der Unglücksmaschine?

Der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos nutzte, meldete am Mittwochabend den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner. Die Luftfahrtbehörde Rosawiazija veröffentlichte eine Passagierliste, auf der unter anderen Prigoschin und der offizielle Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin standen. Alle zehn Insassen seien ums Leben gekommen, teilte der russische Zivilschutz mit.

Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod des langjährigen Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin gab es bis zum Donnerstagmorgen nicht.

Welche Rolle spielt Wagner?

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatten Prigoschin und die Kämpfer seiner Privatarmee Wagner eine grosse Rolle gespielt, insbesondere bei der verlustreichen Eroberung der Stadt Bachmut. Am Donnerstag ist es genau anderthalb Jahre her, dass Putin den Angriff auf das Nachbarland befahl. Die Invasion begann am 24. Februar 2022. Am Donnerstag ist auch der Nationalfeiertag, an dem die Ukraine ihre 1991 erklärte Unabhängigkeit feiert. Präsident Wolodymyr Selenskyj versprach bei einer Konferenz, dass das Land die 2014 von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim zurückholen werde.

War der Absturz gar kein Unfall?

Der Embraer-Privatjet, auf dessen Passagierliste Prigoschin stand, war am Mittwoch nordwestlich von Moskau im Gebiet Twer abgestürzt. Zur Ursache gab es keine offiziellen Angaben, die Ermittlungen der Behörden begannen erst. Allerdings verbreiteten Grey Zone und einige Militärblogger die These, dass der Absturz kein Unfall gewesen sei. Grey Zone sprach von einem Abschuss durch die russische Flugabwehr. Überprüfen liess sich diese Behauptung nicht. «Prigoschin starb als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands», hiess es in einem Post.

«Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben», schrieb der Militärjournalist Roman Saponkow auf Telegram. «Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral.» Prigoschin war wegen seiner Kritik an der regulären Armeeführung und einigen Erfolgen seiner Söldner auf dem Schlachtfeld beliebt bei Soldaten.

Wer ist verantwortlich?

Darüber streiten sich die Geister. Der kremltreue russische Fernsehsender Zargrad stellte ebenfalls den Verdacht eines Mordkomplotts gegen Prigoschin in den Raum. Er gab aber dem ukrainischen Militärgeheimdienst die Schuld am Absturz des Flugzeugs. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte in Kiew, es sei offensichtlich, dass Putin niemandem für jene Angst vergeben werde, die ihm die Meuterei eingeflösst habe. Prigoschins Schicksal sei ein Signal an die russische Elite, dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft werde.

US-Präsident Joe Biden schien sich nicht über Prigoschins Flugzeugabsturz zu wundern. Er wisse nicht genau, was passiert sei, sei aber nicht überrascht, sagte Biden am Rande eines Urlaubs im US-Bundesstaat Kalifornien. Auf die Frage von Reportern, ob der Absturz seiner Ansicht nach auf das Konto Putins gehe, sagte Biden: «Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt.» Er wisse aber nicht genug, um die Frage beantworten zu können.

Alles nur Inszenierung?

Die Meldung von Prigoschins Absturz war noch frisch, da kamen bereits wilde Spekulationen auf: Die russische Propagandistin Margarita Simonjan sprach von einer «viel diskutierten Version», wonach der Söldnerführer seinen eigenen Tod inszeniert haben könnte. Prigoschin wurde derweil von russischen Medien schon zweimal als tot gemeldet: 2019 bei einem Flugzeugabsturz im Kongo und 2022 in der Region Luhansk.

Was ist die Vorgeschichte?

Auf den Tag genau zwei Monate vor seinem Tod meuterten die Wagner-Truppen und marschierten auf Prigoschins Geheiss auf Moskau zu, wobei die Hintergründe dieser Ereignisse bis heute unklar sind. Für Russlands Präsidenten Putin, der keine öffentliche Infragestellung seiner Autorität duldet, war es eine beispiellose Erschütterung seiner Machtposition. Er nannte Prigoschin daraufhin einen Verräter. Und selbst wenn sich beide Männer später noch einmal trafen, gingen viele Experten davon aus, dass Putin seinem einstigen Intimus den Ungehorsam nicht verzeihen werde.

Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Später machte Prigoschin, der mehrere Jahre wegen Raubs in Haft sass, als Essenslieferant für den Kreml Karriere, daher rührt sein Beiname «Putins Koch».

Die von ihm aufgebaute Söldnertruppe Wagner erfüllte für Russlands Staatsmacht erst inoffizielle Spezialaufträge in Syrien, später auch in mehreren Staaten Afrikas und kämpfte schliesslich in der Ukraine. Zuletzt meldete sich der Söldnerführer am Montag mit einem Video aus Afrika zu Wort. Unklar ist, was aus den mehreren Tausend Wagner-Kämpfern wird, die nach der Meuterei nach Belarus gegangen sind und nun ihren Anführer verloren haben.

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(sda/jaw)

veröffentlicht: 24. August 2023 07:57
aktualisiert: 25. August 2023 07:25
Quelle: Today-Zentralredaktion

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