Ungeachtet aller Drohungen aus Peking war die Spitzenpolitikerin am Vortag zum ranghöchsten Besuch aus den USA in einem Vierteljahrhundert in der demokratischen Inselrepublik eingetroffen.
Peking sieht Taiwan nur als Teil der Volksrepublik an, lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab und hatte die USA vehement vor einem Taiwan-Trip Pelosis gewarnt. Als Reaktion startete Chinas Volksbefreiungsarmee umgehend Manöver in sechs Meeresgebieten, die Taiwan umzirkeln. Dabei soll es bis Sonntag auch «weitreichende Schiessübungen» geben.
Grösstes militärisches Muskelspiel
Die Manöver gelten als das grösste militärische Muskelspiel seit der Raketenkrise 1995, als China zur Einschüchterung Raketen über Taiwan geschossen hatte und die USA zwei Flugzeugträgergruppen entsandten. Die Meeresgebiete für die Übungen gehen noch weit über die damaligen Sperrzonen hinaus, reichen nahe an Taiwan und scheinen teilweise in seine Hoheitsgebiete einzudringen. Experten rechnen auch damit, dass Schifffahrtsrouten beeinträchtigt werden könnten.
Aus Protest gegen den Besuch Pelosis bestellte das Aussenministerium in Peking am Mittwoch den US-Botschafter in Peking, Nicolas Burns, ein. Vizeaussenminister Xie Feng sprach dabei von einer «ernsten Provokation und einem Verstoss gegen den Ein-China-Grundsatz», wie Staatsmedien berichteten.
21 Flugzeuge in Taiwans Luftüberwachungszone
Als weitere Reaktion schickte Chinas Volksbefreiungsarmee allein am Dienstag schon 21 Flugzeuge in Taiwans Luftüberwachungszone (ADIZ), wie das Verteidigungsministerium in Taipeh berichtete. Diese Provokationen haben jüngst schon stark zugenommen, doch ist die hohe Zahl ungewöhnlich. Es habe sich um Kampfjets und Flugzeuge zur Luftüberwachung oder zur elektronischen Kriegsführung gehandelt.
Im Parlament in Taipeh traf Pelosi den Vizevorsitzenden des Legislativrates, Tsai Chi-chang und andere Abgeordnete. Der Vorsitzende Yu Shyi-kun war verhindert, da er nach einer Auslandsreise in Quarantäne war. Die 82-Jährige wollte auch Menschenrechtsaktivisten treffen, bevor sie im Rahmen ihrer Asienreise mit einer Kongress-Delegation um 17 Uhr Ortszeit (11 Uhr MESZ) nach Seoul weiterfliegen wollte.