Entspannung bei 40°C?

Warum wir trotz Hitze, Stau und Flugstress in die Ferien gehen

· Online seit 20.07.2023, 07:09 Uhr
Stundenlanger Stau vor dem Gotthard, lange Schlangen am Flughafen und danach Schwitzen am Strand: Trotz viel Stress reisen Schweizerinnen und Schweizer immer noch in den Süden. Ein Experte erklärt, warum sie sich das antun und warum Flüge trotz Flugscham boomen.
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In Italien steigen die Temperaturen bis auf 40 Grad. Trotzdem nehmen Schweizerinnen und Schweizer die Reise in den Süden auf sich. Sie stehen teils stundenlang im Gotthard-Stau oder stehen am Flughafen mit Hunderten Reisenden vor der Sicherheitskontrolle an.

Warum tut man sich den Reisestress überhaupt noch an? Wo es doch auch hier warm genug wäre? Wir haben bei Jon Andrea Florin nachgefragt. Er ist Geschäftsführer der Organisation «fairunterwegs»: «Ich glaube, sie wollen sich etwas gönnen und finden, sie hätten ‹richtige Ferien› verdient. Und ‹richtige Ferien› sind nun mal am Meer.» Dies gelte übrigens auch, wenn Reisende trotz Flugscham fliegen: «Man macht ein Stück weit Ferien vom Gewissen», so Florin. Zudem sei der Nutzen noch immer viel grösser als die teils mühsame Hinreise.

Erinnerung an schöne Momente

Neben der Gönnung gibt es auch einen sozialen Druck, erklärt Jon Andrea Florin: «Ferien sind ein Gesprächsthema, sie gehören einfach zum Leben und in den Jahresablauf.» Reisende erinnern sich nach der Rückkehr zudem an die schönen Momente. «Diese übersteuern die negativen Erinnerungen.»

Mitspielen tut hier auch die Gewohnheit. Menschen gehen oft zur gleichen Zeit an den gleichen Ort. Weil sie dafür auch den gleichen Weg nehmen wollen, stehen sie Jahr für Jahr im Stau – beispielsweise am Gotthard.

Aber warum verreisen trotzdem viele in die Hitze, obwohl es hierzulande auch heiss ist? Auch hier haben Reisende eine fixe Vorstellung davon, was gelungene Ferien ausmachen. «Man will sagen, dass man am Meer war, bei Gianni einen super Espresso getrunken hat oder die Akropolis gesehen hat.» Auch der Eskapismus spielt eine Rolle: Schweizerinnen und Schweizer wollen einen Tapetenwechsel und aus dem Alltag ausbrechen.

Kopenhagen grenzt an Overtourism

Wie Florin erklärt, reisen jedoch längst nicht mehr alle nur in den Süden: «Norddestinationen legen zu. Kopenhagen zum Beispiel bewegt sich in Richtung Overtourism. Doch managen sie die Touristenmassen geschickter als etwa Venedig.»

Um Stau oder Flugstress zu umgehen, könnte man auch auf den Zug umsteigen. Hier sei aber das Bild verankert, dass eine Reise mit dem Zug anstrengender ist. Weil Airlines weniger Steuern zahlen, sind Flüge oft auch günstiger als ein Zugticket. Doch auch das Fliegen wird teurer, trotzdem steigen die Passagierzahlen. «Es sieht aus, als ob das Rekordjahr 2019 dieses Jahr überholt wird», sagt Florin.

Zu all dem sei es einfacher einen Flug zu buchen. Florin: «Es ist kompliziert, internationale Zugbillette zu kaufen.» Die psychologische Komponente und fixen Vorstellungen dürfe man nicht unterschätzen. «Einige denken: Richtige Ferien beinhalten einen Flug.»

Familien sind an die Schulferien gebunden

Dass viele im ohnehin heissen Sommer in den Süden gehen, hat auch mit den Familien zu tun. Diese sind an die Schulferien gebunden. Zudem zeigt Florin auf, wie der Familienurlaub der Zukunft aussehen könnte: «Familienhotels werden immer beliebter. Hier können die Grosseltern mitkommen, damit die Eltern mal Zeit für sich haben.»

Zudem gebe es Eltern, die mit dem Camper oder Zelt unterwegs sind. Einige machen auch längere Ferien von einem halben Jahr bis zu einem Jahr, bevor die Kinder eingeschult werden.

Auf die Frage, ob der Walensee der neue Lago Maggiore wird, antwortet Florin: «Da bin ich skeptisch. Der Walensee hat – bei aller Sympathie – nicht das Charisma vom Lago Maggiore.» Weil es in Norditalien nicht so heiss ist wie im Süden des Landes, werde sich das in den nächsten zehn Jahren wohl nicht verändern.

Was machst du, um deine Ferien entspannter zu gestalten? Schreib es uns in die Kommentare.

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veröffentlicht: 20. Juli 2023 07:09
aktualisiert: 20. Juli 2023 07:09
Quelle: Today-Zentralredaktion

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