Es hat nicht sollen sein

Aus Grönborg und den ZSC Lions wurde nie die grosse Liebe

· Online seit 27.10.2022, 14:54 Uhr
Die Saison ist noch jung, doch bereits jetzt steht fest, dass es Rikard Grönborgs letzte als ZSC-Headcoach sein wird. Er heuert nächsten Sommer bei Tappara in Finnland an. Sein Weggang wird in Zürich keinen allzu grossen Herzschmerz auslösen. Eine Analyse.

Quelle: TV24 / Highlights EVZ-ZSC Lions Spiel 7

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Nach knapp fünf Minuten führte man bereits. Topscorer Denis Malgin hatte Marco Müller herrlich umspielt und zur 1:0-Führung getroffen. Die ZSC-Welt schien mehr in Ordnung denn je – der Meistertitel war an diesem 25. April 2022 zum Greifen nah.

3:0 legten die ZSC Lions in den Playoff-Finalspielen gegen den EV Zug vor, und niemand im ausverkauften Hallenstadion, dessen allerletztes Eishockeyspiel es werden sollte, verschwendete auch nur einen Gedanken dran, was wohl passieren könnte, wenn den Innerschweizern ein Anschluss-Sieg gelingen würde.

Die Erwartungen waren gross

Doch der Sport lebt nunmal auch von seinen überraschenden Wenden, das musste sechs Tage später auch jeder ZSC-Fan akzeptieren. Der EVZ drehte die Finalserie spektakulär und kürte sich zum Meister, die Lions wussten nicht, wie ihnen geschah. Und die Hockey-Schweiz fragte sich: Wie in aller Welt konnte man drei Meisterschafts-Pucks nicht verwerten?

Fühlte man sich zu sicher? Wurde man nervös? Liessen die Kräfte nach? Die wahre Antwort wusste wohl keiner so richtig, doch wenn jemand eine halbwegs plausible Erklärung für das Desaster gehabt hat, dann war das sicherlich der Trainer. Rikard Grönborg war der Erstverantwortliche dieses bitteren Nicht-Gewinns.

Zu jenem Zeitpunkt stand der Schwede in seiner dritten Saison an der ZSC-Seitenlinie. Als Nationaltrainer hatte er sein Heimatland in den Jahren 2017 und 2018 gleich zu zwei Weltmeistertiteln geführt, die Erwartungen an ihn waren entsprechend riesig. So viel vorweg: Er sollte sie nie erfüllen.

Der Weg in die Finals war steinig

Während der Corona-Saison 2020 wurde kein Meister gekürt, die folgenden zwei Spielzeiten sollte dem EV Zug das «back-to-back»-Kunststück gelingen. In der abgelaufenen Saison, im Dezember 2021, drohte Grönborg gar beinahe die Entlassung, nachdem der ZSC in der Liga schwächelte und durch inkonstante Leistungen auffiel.

Wenige Monate später war das vergeben und vergessen – der «Zett» stand im Finale, auch wenn der Weg dorthin ein steiniger war. In den Viertelfinals gegen Biel stand man mit 2:3 mit dem Rücken zur Wand, ehe man die Serie noch kehren konnte. Im Halbfinal gegen Fribourg-Gottéron verlor man zwar nie, doch die Art und Weise, wie die Siege zustande kamen, liessen zu wünschen übrig. Gleich alle drei ersten Spiele gingen in die Verlängerung.

Der Nachwuchs wurde nicht genug gefördert

So war die Freude umso grösser, trotz dieser mehrwöchigen Achterbahnfahrt doch noch im Final zu stehen. Folglich musste die Ernüchterung am Abend des 1. Mai unerträglich gewesen sein. Ob die ZSC-Verantwortlichen da schon ahnten, dass es zwischen dem Verein und ihrem Trainer nicht mehr die grosse Liebe werden würde?

Aktuell steht man auf Tabellenplatz 3, nach anfänglichen Startschwierigkeiten im September hat sich die Mannschaft gefangen, der Umzug ins neue Zuhause, in die Swiss Life Arena in Altstetten, ist geglückt. Doch gewisse Nebengeräusche sind nie verstummt, und irgendwie scheint es, als würden die Play-off-Finals gegen den EVZ immer noch wie ein ganz feiner Schleier über dem ZSC liegen.

Die kritischen Stimmen aus dem Umfeld des Vereins, die eine mangelnde Förderung und Integrierung der Nachwuchs-Talente monieren, haben sich gemehrt, wie unter anderem die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt; der Trainer wirke manchmal verkrampft, und dann sei das auch dem Spiel der Lions anzusehen gewesen. So darf sein Fortgang Ende Saison nicht wirklich überraschen – zumal der stolze und verwöhnte ZSC unter Grönborg gänzlich titellos blieb.

Ein Vertrauensbeweis tönt anders

Am Donnerstagmorgen vermeldet der Verein, er habe die Entwicklung des Teams und somit die Vertragsverlängerung  mit dem Schweden über die aktuelle Saison hinaus stets abwarten und nichts voreilig entscheiden wollen. Auch dann nicht, als Grönborg ein Angebot des finnischen Meisters Tappara Tampere erhielt. Dieses hat er nun angenommen.

«Wir akzeptieren den Entscheid», steht in der Medienmitteilung. Eine Standardfloskel zwar – doch ein Vertrauensbeweis tönt anders, die Schilderung des Vereins macht nicht den Eindruck einer grossen Liebe. Diese kann nur noch entstehen, wenn sich Grönborg mit dem Meistertitel aus Zürich verabschiedet. So, wie er es 2018 in seiner Heimat getan hatte. Dann wäre auch die Schmach von Zug vergessen.

veröffentlicht: 27. Oktober 2022 14:54
aktualisiert: 27. Oktober 2022 14:54
Quelle: ZüriToday

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