Berset-Nachfolge

Wer für die SP im Rennen ist und wer abgesagt hat

26.10.2023, 07:23 Uhr
· Online seit 22.09.2023, 12:13 Uhr
Das Kandidierendenkarussell für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung. Bei den Sozialdemokraten kommen neue und alte Namen ins Spiel.
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Wie ist die Ausgangslage?

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger für Berset wird noch nicht in der Herbstsession bestimmt, sondern bei den Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung am 13. Dezember. Alle interessierten Parteimitglieder können bis zum 29. Oktober eine Kandidatur einreichen. Die SP will für die Wahl von Alain Bersets Nachfolge eine Auswahl von mehreren Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren. Auf Kriterien verzichtet sie.

Unklar ist derzeit, ob andere Parteien den zweiten SP-Sitz im Bundesrat infrage stellen werden. Die Grünen und auch die GLP liessen nach Bersets Rücktrittsankündigung durchblicken, dass sie einen Angriff nicht ausschliessen. Konkreter dürfte es erst Ende Oktober werden, nach den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober.

Generell kann erwartet werden, dass wegen der welschen SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Deutschschweizer Politiker in der Poleposition sind.

Wer will kandidieren?

Evi Allemann: Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann (SP) hat ihre Kandidatur am 16. Oktober bekannt gegeben. Die Juristin ist die erste Frau, die sich um die Nachfolge von Alain Berset bewirbt. Die 45-Jährige hatte sich bereits im vergangenen Jahr um den freigewordenen Sitz von alt Bundesrätin Simonetta Sommaruga beworben, schaffte es aber nicht aufs Ticket. Allemann war 15 Jahre lang Nationalrätin und ist gegenwärtig Direktorin für Inneres und Justiz des Kantons Bern.

Roger Nordmann: Der Waadtländer Nationalrat Roger Nordmann kündigte am 4.Oktober seine Kandidatur an. Er sitzt seit 2004 im Nationalrat und war von 2019 bis 2023 Fraktionspräsident der SP. Bekannt ist Nordmann für sein Engagement in Energie- und Klimafragen. Zu diesem Thema hat er auch mehrere Bücher geschrieben.

Jon Pult: Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) gab am 2. Oktober seine Kandidatur bekannt. Der 38-Jährige gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten.

Beat Jans: Jans hat am 22. September an einer Medienkonferenz bekannt gegeben, dass er Bundesrat werden will. Er bewerbe sich mit grosser Motivation und erachte es nicht als selbstverständlich, dass er kandidieren könne. Es wäre für ihn eine «unglaubliche Ehre», an der Geschichte der Schweiz weiterschreiben zu dürfen, sagte Jans. Politbeobachter sehen Jans als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Der 59-jährige Jans amtet seit 2021 als Regierungspräsident und Vorsteher des Präsidialdepartements des Kantons Basel-Stadt. Von 2010 bis 2020 war er Nationalrat. Während seiner Zeit als Bundesparlamentarier war er fünf Jahre lang Vizepräsident der SP Schweiz.

Quelle: SDA / CH Media Video Unit / Jeannine Merki

Matthias Aebischer: Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) will Bundesrat werden. Vor den Medien sagte er Mitte September, er sei nach einer Zeit des Nachdenkens im Sommer zum Schluss gekommen, dass er alle Voraussetzungen fürs Bundesratsamt mitbringe. Er traue sich das Amt zu. Er habe einen klaren Gestaltungswillen, sei ein Teamplayer, habe eine gewinnende Art und wolle in wichtigen Fragen tragfähige Lösungen finden, etwa in der Energiepolitik. Sein Umfeld unterstütze ihn. Aebischer politisiert seit bald zwölf Jahren im Nationalrat. Vor seiner Zeit im Bundeshaus war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit. Falls Aebischer gewählt würde, wäre der Kanton Bern doppelt in der Landesregierung vertreten.

Quelle: SDA / Archiv vom 14.09.2023

Daniel Jositsch: Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (Jahrgang 1965) hat Anfang September seine Kandidatur für den Bundesrat bekannt gegeben. Er habe sich die erneute Kandidatur lange überlegt, sagte er in Zürich vor den Medien. Er habe einen «Höllenrespekt» vor dem Amt des Bundesrats. Doch er sei in die Politik gegangen, um mit Willen und Lust die Probleme anzugehen und mitzugestalten. Im vergangenen Jahr schaffte es Jositsch nicht aufs offizielle Ticket seiner Fraktion, weil damals für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga Frauen-Kandidaturen im Vordergrund standen. Trotzdem erhielt Jositsch am Wahltag mehrere Dutzend Stimmen. Schliesslich machte dann die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider das Rennen. Für Jositsch als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.

Quelle: SDA / ZüriToday / Olivia Eberhardt

Mustafa Atici: Der Basler SP-Nationalrat Mustafa Atici (Jahrgang 1969) bekundete Interesse an der Nachfolge von Alain Berset. «Ja, ich will», sagte er gegenüber dem Basler Lokalmedium «Primenews». Der in der Türkei geborene Unternehmer wäre damit das erste Bundesratsmitglied mit direktem Migrationshintergrund. Atici sitzt seit Ende 2019 im Nationalrat. Er gilt als enger Wegbegleiter des Basler Regierungspräsidenten Beat Jans, der als einer der Favoriten für die Nachfolge von Berset gehandelt wird. Aticis Wahlchancen sind dagegen minim. Am 25. September zog er seine Kandidatur zu Gunsten von Beat Jans jedoch zurück.

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Wer ist im Gespräch?

Alle bisher als Nachfolge von Berset gehandelten Personen haben ihren Entscheid bekannt gegeben. Im Gespräch befand sich zuletzt niemand.

Wer hat abgesagt?

Cédric Wermuth: Cédric Wermuth (Jahrgang 1986), Co-Präsident der SP, hat sich lange nicht in die Karten blicken lassen. Schliesslich entschied er sich gegen eine Bundesratskandidatur. Er hätte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht für eine Kandidatur mitgebracht. Private wie politische Gründe hätten dagegen gesprochen, sagte er der Zeitung «20 Minuten». Er wolle zusammen mit Co-Präsidentin Mattea Meyer weiterhin die SP leiten. Bundesrat zu werden sei nie sein Lebenstraum gewesen.

Mattea Meyer: Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) galt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen, sagte sie bisher. Wenige Tage nach den Wahlen sagte sie für eine Kandidatur ab. Das Co-Präsidium sei der Ort, wo sie sich momentan wohl und getragen fühle, sagte sie ebenfalls zu «20 Minuten». Sie wolle sich weiterhin für eine sozialere Schweiz einsetzen.

Eva Herzog: Die Basler Ständerätin Eva Herzog (Jahrgang 1961) verzichtet auf eine Kandidatur, wie sie am 20. September im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mitteilte. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen. Dieses sei eine herausfordernde Tätigkeit mit viel Gestaltungsraum, schreibt sie auf X. «Bei einer Wahl möchte ich dort die Interessen unserer Bevölkerung vertreten und besonders der urbanen, offenen Schweiz und der Gleichstellung Sichtbarkeit geben», schrieb sie. Herzog war im Dezember 2022 bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber gegen Elisabeth Baume-Schneider.

Priska Seiler Graf: Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich, Priska Seiler Graf (Jahrgang 1968), verzichtet aus persönlichen Gründen, wie sie einen Bericht der «SonntagsZeitung» bestätigte. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.

Flavia Wasserfallen: Die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtet aber wie damals nun auch auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie hat sich für die Ständeratskampagne entschieden, wo sie den Berner SP-Sitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen will.

Nadine Masshardt: Schon bei der Sommaruga-Nachfolge wurde die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt (Jahrgang 1984) als mögliche Kandidatin gehandelt, doch sie sagte früh ab. Nach Bersets Rücktrittsankündigung überlegte sich die Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz über den Sommer eine Kandidatur. Das hat sie nun getan: Sie steht nicht zur Verfügung, wie sie auf Anfrage sagte. Sie bestätigte damit einen Bericht von blick.ch. Masshardt wird den Kandidierendenprozess verantworten.

Priska Seiler Graf: Die Zürcher Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich, Priska Seiler Graf (Jahrgang 1968), verzichtet aus persönlichen Gründen, wie sie einen Bericht der «SonntagsZeitung» bestätigte. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.

Samira Marti: Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug für eine Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und wurde Ende August zusammen mit dem Waadtländer Samuel Bendahan zu Co-Fraktionschefin gewählt. Sie steht als Bundesratskandidatin nicht zur Verfügung. Wie sie dem Nachrichtenportal blick.ch verriet, verantwortet Marti zudem zusammen mit Nadine Masshardt den Kandidierendenprozess.

Tamara Funiciello: Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), verzichtet auf eine Bundesratskandidatur. Ihr Job liege aufgrund des Rechtsrutsches zurzeit im Parlament. Eine zukünftige Kandidatur schliesst die Bernerin aber nicht auf. «Sag niemals nie!», sagte sie gegenüber dem Blick. Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe, und man müsse das prüfen, hatte die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin noch im Sommer gesagt. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete Funiciello als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.

Fabian Molina: Eine Kandidatur prüfte auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990), verzichtete aber schliesslich. Dies teilte er am 24. Oktober im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mit. Er wolle weiterhin seine ganze Kraft in die Parlamentsarbeit stecken. Der ehemalige Juso-Präsident ist seit dem Rücktritt von Tim Guldimann im März 2018 Nationalrat. Molina ist Co-Präsident im Stiftungsrat der Entwicklungsorganisation Swissaid.

Jean-François Steiert: Der Freiburger Verkehrsminister Jean-François Steiert hat ebenfalls abgesagt. Der 62-Jährige sagte der Zeitung «Le Temps», die Westschweiz sei in der Landesregierung bereits stark vertreten. Steiert war von 2007 bis 2017 Nationalrat und hatte angekündigt, sich Gedanken über eine Kandidatur zu machen. Die lateinische Schweiz ist derzeit mit vier Personen im Bundesrat übervertreten. Steiert ist allerdings perfekt zweisprachig.

(sda/lol/gin)

veröffentlicht: 22. September 2023 12:13
aktualisiert: 26. Oktober 2023 07:23
Quelle: Today-Zentralredaktion

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