Corona-Leaks

Viele Indiskretionen: «Berset wusste von E-Mails, aber nicht von Inhalten»

21.11.2023, 09:57 Uhr
· Online seit 17.11.2023, 17:01 Uhr
Im Kontext von Covid-19-Geschäften des Bundesrates ist es zu zahlreichen Leaks gekommen. Das zeigt eine Analyse der parlamentarischen Oberaufsicht. Jedoch gebe es keine Hinweise, dass Gesundheitsminister Alain Berset die Indiskretionen in Auftrag gegeben habe.

Quelle: TeleZüri

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Das schreiben die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) in ihrem am Freitag veröffentlichten Bericht zu den sogenannten Corona-Leaks. Aufgrund der «sehr lückenhaften Quellenlage» hätten die Untersuchungsfragen jedoch nicht abschliessend beantwortet werden können.

Berset wusste von Kontakt zu Ringier-CEO

Fest stehe, dass der CEO der Ringier AG, Marc Walder, vom ehemaligen Kommunikationschef von Berset, Peter Lauener, vertraulich klassifizierte Informationen erhalten habe. Die Auswertung der Medienberichterstattung habe «keine Hinweise auf die Verwendung der übermittelten Informationen in der Berichterstattung ergeben».

Berset wusste laut den GPK vom regelmässigen Kontakt zwischen Lauener und Walder. Es lägen jedoch keine Nachweise vor, wonach er über den konkreten Inhalt dieses Austausches informiert gewesen sei oder dass die Indiskretionen in seinem Auftrag erfolgt seien.

Jedoch ist es für die GPK nur beschränkt nachvollziehbar, dass Berset im Wissen um diese Kontakte und die zahlreichen und wiederholt auftretenden Indiskretionen zu Geschäften seines Departements keine spezifischen Massnahmen ergriffen hat.

Indiskretionen sind laut GPK bewusst eingesetzt worden

Indiskretionen sind laut GPK-Mitglied und Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL) als politisches Instrument bewusst eingesetzt worden. Über die Motive dieses bewussten Einsatzes seien sich die von der GPK Angehörten uneinig gewesen.

Die einen hätten gesagt es könne nicht sein, dass man sich mit Indiskretionen die eigene Arbeit kaputt mache. Die anderen hätten gesagt, dass die Indiskretionen für Positionsbezüge auch nützlich sein könnten, um die eigenen Anliegen entsprechend durchzubringen, so de Courten an der Medienkonferenz am Freitagabend in Bern.

Der CEO der Ringier-Gruppe (Anm. Marc Walder) stehe zudem als einer der Empfänger der Indiskretionen fest, wobei die eigentliche Weitergabe der Informationen nicht geklärt sei.

«Wir können aber bestätigen, dass die Emails, die am Anfang unserer Untersuchung standen, die auch publik wurden am 14. Januar, dass die keine Fake News waren, sondern dass die entsprechend echt waren», sagte de Courten weiter.

Hintergrundgespräche sollen in den Fokus genommen werden

Die GPK gibt im Bericht acht Empfehlungen ab. Hintergrundgespräche von Kommunikationsverantwortlichen mit Medienvertretern sollen in den Fokus kommen.

Man sei der Auffassung, dass hier klare Regeln und Leitlinien hätten aufgestellt werden müssen, damit auch klar sei, was ein Hintergrundgespräch sei und was der Inhalt dort sein könne, um einen Bundesratsbeschluss zu erläutern, sagte Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL) an der Medienkonferenz am Freitag in Bern.

Die zweite Empfehlung betrifft die Löschfrist für Emails in der Bundesverwaltung. Man habe nur sehr beschränkt auf diese Quellen zugreifen können, da sie eben gelöscht worden seien nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so de Courten weiter. Man stelle die Empfehlung auf, dass mindestens für Kaderleute diese Löschfrist verwaltungsintern überprüft werden solle.

Eine dritte Empfehlung beinhaltet laut de Courten die Festlegung, was genau eine Indiskretion sei, damit dies geschärft werden könne. Man müsse viertens mehr wissen darüber, was innerhalb des Bundesrates die Entscheidungsprozesse waren, da man festgestellt habe, dass die Bundesratsprotokolle sehr summarisch abgefasst worden seien und man die Entscheidungsprozesse daher vonseiten der GPK nicht mehr genau habe nachvollziehen können.

Eine fünfte Empfehlung betreffe die Schärfung der Schulung der Kommunikationsabteilungen bezüglich der Zugriffsrechte zu klassifizierten Dokumenten. Weiter sollen sechstens die schriftlichen Mitberichtsverfahren fester Bestandteil von Bundesratsentscheiden bleiben, um die Qualität sicherzustellen.

Siebtens sollen für die Debriefings, welche die Departementsvorsteher mit ihren Stäben machen, entsprechende Regeln festgelegt werden, was dort festgehalten werde oder nicht und was kommuniziert werden kann oder nicht. Achtens, so de Courten, sollen Indiskretionen im Bundesrat aktiv und zeitnah diskutiert werden.

GPK befragte alle Bundesräte

Die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte hat zur Klärung der Corona-Indiskretionen alle Bundesratsmitglieder befragt, die während der Pandemie im Amt waren. Auch der Bundeskanzler und die Vizekanzler mussten vor der Arbeitsgruppe antraben.

Das gab deren Präsident Philippe Bauer (FDP/NE) am Freitag in Bern vor den Medien bekannt. 14 Sitzungen habe die Arbeitsgruppe durchgeführt und 16 Personen seien befragt worden, einige davon zweimal. Auch hohe Bundesangestellte wurden eingeladen.

Zudem wurde Peter Marti angehört, der als ausserordentlicher Staatsanwalt zu den sogenannten Crypto-Leaks eingesetzt worden war. Zu den eigenen Informationsrechten liess die Arbeitsgruppe ein Rechtsgutachten ausarbeiten.

Nach der Anhörung ging ein Entwurf des Berichtes an die Betroffenen Personen, die dazu Anmerkungen anbringen konnten.

Die Arbeitsgruppe führte auch eine Medienbeobachtung zu den 60 Bundesratsgeschäften und -sitzungen des Untersuchungszeitpunktes durch. Sie prüfte 500 Medienberichte, die einen Bezug zu diesen Indiskretionen hatten.

(sda)

Hier gibts den ganzen Ticker zum Nachlesen:

veröffentlicht: 17. November 2023 17:01
aktualisiert: 21. November 2023 09:57
Quelle: Today-Zentralredaktion

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