Schweiz

Postfinance-Plakat am Hauptbahnhof Zürich entsetzt SP-Nationalrätin Sarah Wyss

Schönheit statt Geld

Postfinance-Plakat am Zürcher HB entsetzt Nationalrätin

03.05.2024, 17:15 Uhr
· Online seit 03.05.2024, 12:01 Uhr
Eine Frau sagt beim Styling, dass sie sich «null» für Finanzmärkte interessiere. Die Postfinance solle diese Plakate entfernen, fordert SP-Nationalrätin Sarah Wyss. Die Bank glaubt jedoch, alle Menschen auf gleicher Augenhöhe anzusprechen.
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Eine Frau zupft sich vor dem Spiegel die Augenbrauen. Daneben steht: «Finanzmärkte interessieren mich null.» Die Postfinance antwortet darauf: «Ist doch ganz normal. Anlageentscheide ruhig delegieren.» Mit dem Plakat wirbt die Bank für ihre Anlageangebote.

Bei SP-Nationalrätin Sarah Wyss kann diese nicht punkten. Auf X fordert die Baslerin die Postfinance auf, mit stereotypisierter Werbung aufzuhören. «In welchem Jahrhundert lebt ihr?», fragt Wyss.

Es sei völlig in Ordnung, wenn sich Frauen die Augenbrauen zupften oder Augen schminkten, sagt die Basler Nationalrätin zur Today-Redaktion. «Mit dieser Werbung suggeriert Postfinance aber, dass Finanzen für Frauen doch nicht so wichtig seien und sich die Bank darum kümmere.» Dies sei fragwürdig. «Man weiss doch, dass Finanzen für Frauen genauso wichtig sind wie für Männer.» Gerade Frauen seien häufiger von Altersarmut betroffen und hätten eine schlechtere Pensionskasse.

Das Plakat entdeckte Sarah Wyss kürzlich am Zürcher Hauptbahnhof. «Ich erwarte, dass Postfinance diese Plakate entfernt», sagt Wyss. Das Unternehmen solle Gleichstellung fördern und keine Stereotypen bedienen. Im Post auf X gibt Wyss zudem bekannt: «Ich habe nach dem letzten Vorfall mein Konto bei euch gekündigt – hätte ich noch eines, würde ich es jetzt kündigen.» Auslöser war der Spruch «Ein Lächeln reicht, um mich anzumachen», mit dem die Bank 2019 für Digitales Banking warb.

Eine Userin tut es ihr gleich. «Abscheuliche Werbung, sowas von herablassend und frauenverachtend! Ich kündige meine Konti bei Postfinance auch!», schreibt diese. Ein User stimmt zu: «Das finde sogar ich als alter weisser Mann daneben!»

«Das ist ‹Pinkwashing› und nicht glaubwürdig»

Elle XX, die Finanzplattform für Frauen, beschäftigt sich mit der Finanzbildung für Frauen und Gleichstellung. Als sie vor zweieinhalb Jahren ihre Plattform lanciert hätten, seien «Frauen und Finanzen» noch kaum ein Thema in der Schweiz gewesen, stellt Gründerin Patrizia Laeri fest. Nun sprängen auch immer mehr traditionelle Banken auf den Zug auf und versuchten, Frauen anzusprechen. Die Ansprache und Werbung sei dann aber klischiert und auch die Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte blieben zumeist männerdominiert. «Das ist ‹Pinkwashing› und nicht glaubwürdig.»

Laeri bezeichnet es als «in der Tat heikel», gängige Stereotypen und Gaps mit Werbung noch zu zementieren. Viel wichtiger sei es, das finanzielle Selbstbewusstsein von Menschen zu stärken und zielgerichtet Lösungen anzubieten.

Interesse sei in der Tat geringer

Die Frau vor dem Spiegel, die sich «null» für Finanzmärkte interessiert, ist nicht ganz unrealistisch. Das Interesse an Finanzen sei bei Frauen in der Tat geringer, sagt Patrizia Laeri. Aber dies liege nicht an den Frauen, sondern an Erziehung und Bildung, wie zahlreiche Studien belegten. Buben erhielten eine frühere und umfassendere Finanzbildung als Mädchen.

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Zudem hält es sich laut Laeri über Generationen, dass Eltern mit ihren Kindern unterschiedlich über Geld sprechen. «Mütter halten Mädchen zum Sparen an. Sie sprechen eher vorsichtig und langweilig über Geld und transportieren unbewusst ihren negativen Mindset gegenüber Zahlen weiter.» Väter sprächen dagegen lustvoller und unternehmerischer über Geld, Fremdkapital und Investitionen. Beim Ausfüllen von Finanz-Tests schnitten Frauen in der Finanzbildung 28 Prozent schlechter ab als Männer, weil sie sich in Sachen Finanzen weniger zutrauten. «Lässt man hingegen die Antwort-Möglichkeit ‹Ich weiss es nicht› weg, schrumpft dieser Gap auf neun Prozent.»

Postfinance behandle alle Menschen gleich

Neu ist die Kampagne nicht. «Schön, dass unsere mittlerweile über zwei Jahre alte Werbekampagne bewegt. Bisher haben wir keine negativen Kundenreaktionen zu diesem Werbemittel erhalten», sagt Mediensprecherin Dörte Horn. Das erwähnte Sujet stelle eines von sechs aus der Gesamtkampagne dar. Auch macht sie darauf aufmerksam, dass Postfinance Mitglied des Gislerprotokolls sei. Der Verein setzt sich für eine facettenreiche Repräsentation der Geschlechter in Kommunikation, Marketing und Werbung ein.

In der Kampagne kommt auch ein Mann vor, der sich mit seinem Äusseren beschäftigt. Er schneidet sich gerade die Fussnägel und sagt «Mich nerven Anlagegespräche mit diesem Banken-Blabla.» Die Frau, die sich die Augenbrauen zupft, erscheint zudem nicht immer mit derselben Aussage. So sagt sie auf weiteren Plakaten etwa: «Geldanlagen sind mir viel zu undurchsichtig» oder «Investieren und dabei Zeit sparen.»

Bei der Kampagne würden alle Menschen gleich behandelt, sagt Dörte Horn. Für viele sei das Thema «Geld anlegen» oft abgehoben oder kompliziert. Diese ehrlichen Aussagen und die Antworten der Postfinance wollten sie für alle auf der gleichen Augenhöhe aufzeigen. «Dabei zeigen wir auch sehr selbstbewusste Darsteller – wie Frau mit Tattoos und Mann im Kleid – jenseits von Stereotypen.»

Einige Kommentare weisen Sarah Wyss in die Schranken. «Als Nationalrätin gehört es sich nicht, die Leute dazu aufzufordern, ihr Konto bei der Postfinance zu kündigen. Gaht's no!», schreibt ein User. «Was haben Sie nur für Probleme ... lachhaft. Für Sie ist alles, was eine Frau macht, Stereotyp ... na dann ... viel Glück», meint ein weiterer User.

veröffentlicht: 3. Mai 2024 12:01
aktualisiert: 3. Mai 2024 17:15
Quelle: ZüriToday

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