Schweiz

«Nur die Spitze des Eisbergs» – Bericht zeigt tausende fragwürdige Adoptionen

Nicht nur Sri Lanka

«Nur die Spitze des Eisbergs» – Bericht zeigt tausende fragwürdige Adoptionen

08.12.2023, 13:59 Uhr
· Online seit 08.12.2023, 13:46 Uhr
Bei internationalen Adoptionen ist es zwischen 1970 und 2000 wohl in mehreren tausend Fällen zu Unregelmässigkeiten gekommen. Das zeigt ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), den der Bundesrat am Freitag zur Kenntnis genommen hat.
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Die Studie untersuchte Adoptionen aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, Libanon, Peru und Rumänien, wie das Bundesamt für Justiz (BJ) in einer Mitteilung schrieb. Demnach gab es in diesen Herkunftsländern «Hinweise auf illegale Praktiken, Kinderhandel, gefälschte Dokumente und fehlende Herkunftsangaben». 

Die Studie zeigt, dass die Schweizer Vertretungen in den Herkunftsländern der Kinder und die Bundesbehörden in Bern zwar Irregularitäten bemerkten, aber sich jeweils nur für jenen Teil der Adoptionsabläufe zuständig sahen, der sich in ihrem Kompetenzbereich befand.

Bundesrat beauftragt vertiefte Abklärungen

Der Bundesrat bedauere, dass die Behörden ihre Verantwortung gegenüber diesen Kindern und ihren Familien nur unzureichend wahrgenommen hätten. «Diese Versäumnisse der Behörden prägen das Leben der damals adoptierten Personen bis heute», hiess es.

Die Kantone seien nun dafür verantwortlich, die Betroffenen bei der Herkunftssuche zu unterstützen. Ausserdem beauftragte der Bundesrat eine Expertengruppe, ihm bis Ende 2024 vertiefte Abklärungen vorzulegen. Zudem will er nun das Adoptionsrecht ändern.

«Es braucht eine Entschuldigung»

Für Celin Fässler vom Verein «Back to the Roots», die selbst als Baby unter fragwürdigen Umständen aus Sri Lanka in die Schweiz gebracht und hier adoptiert worden war, ist der Bericht alarmierend aber eine Bestätigung. Der Verein mit Sitz in Luzern setzt sich seit Jahren für die Aufarbeitung fragwürdiger Adoptionen aus Sri Lanka ein. «Bei Sri Lanka geht man davon aus, dass es etwa 1000 Fälle gibt in der Schweiz. Es zeigt sich nun, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Das war für uns immer klar.»

Es sei wichtig, dass sich die Kantone nun für eine Aufarbeitung einsetzen. Vereinzelt hätten diese bereits in Auftrag gegeben. Etwa der Kanton St.Gallen. Das Thema sei aber sehr Komplex. Gerade Personen, die nach ihren Wurzeln suchen würden, hätten es oft nicht einfach, da es schwierig sei, in den jeweiligen Ländern Hinweise zu finden.

Sie begrüsst wohl, dass der Bundesrat nun das Adoptionsgesetz ändern will, fordert von den zuständigen Behörden auch eine Entschuldigung. «Es ist ja gut, wenn man in Zukunft schauen will, dass solche Sachen nicht mehr passieren. Es hilft aber den tausenden Betroffenen nicht. Eine Entschuldigung kann helfen bei der Aufarbeitung.»

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(sda/red.)

veröffentlicht: 8. Dezember 2023 13:46
aktualisiert: 8. Dezember 2023 13:59
Quelle: sda

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