Klimawandel

Müssen Tourismusorte bald ohne ihre Attraktionen im Sommer auskommen?

09.07.2023, 08:55 Uhr
· Online seit 09.07.2023, 08:54 Uhr
Die grossen Ferienorte wie Saas-Fee, Zermatt oder auch die Jungfrauregion setzen auf Gletschergrotten, um Touristen anzulocken. Durch die steigenden Temperaturen sind diese Attraktionen aber immer mehr bedroht. Damit sie allerdings noch ein paar Jahre erhalten bleiben, betreiben die Tourismusorte einen riesigen Aufwand.
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Am Furkapass wimmelt es von Touristen. Sie alle kommen, um die Gletscherwelt anzuschauen. Zumindest, solange es der Klimawandel zulässt. Die Grotte verbirgt sich gut vor der Sonne geschützt unter einem dickem Vliesstoff. Philipp Carlen von der Familie Carlen, welche die Gletschergrotte bereits in vierter Generation betreibt, zeigt auf einen kleinen Holzsteg, der erst vor Kurzem angelegt wurde. «Bis hierhin reichte der Gletscher im Frühling vor einem Jahr», sagt er gegenüber der «SonntagsZeitung». Jetzt ist der Eingang 15 Meter weiter hinten.

1830 hatte der Urgrossvater von Carlen die Idee einer Gletschergrotte, die vielfach kopiert wurde. Doch mit den steigenden Temperaturen steigt auch der Aufwand, die Touristenattraktion zu erhalten. Am Rhonegletscher könnte es dieses Jahr tatsächlich das letzte Mal sein, dass Reisende das Eis bestaunen können.

Gletscher gelten als Hauptattraktion

Carlen führt die Besucherinnen und Besucher durch einen Tunnel, den sechs Bauarbeiter im Frühling ins Eis gehauen haben. «Vielleicht hält die Grotte nicht bis zum Ende der Saison», sagt Carlen. Ob dann nächstes Jahr an einem neuen Standort ein Tunnel ins Eis geschlagen werde, sei nicht sicher. «Müssten wir die Eisgrotte aufgeben, ginge ein Stück Alpingeschichte zu Ende.»

Einige Kilometer entfernt liegt Saas-Fee. Deren Gletscher waren schon immer die Hauptattraktion des Dorfes. Unter anderem mit einer Seilbahn und der Metro gelangt man vom Dorf in die Eiswelt. «Die Veränderungen in den Bergen werden für die Touristiker immer mehr zur Herausforderung», erklärt Nicolas Bodenmüller von den Saastal-Bergbahnen gegenüber der Zeitung. Auch im Wallis zeigt sich der Klimawandel.

Viel Geld geht verloren

Auch hier wird enormer Aufwand betrieben, um den Gletscher am Leben zu erhalten: Damit das Eis nicht bereits im August abschmilzt, wurde es mit einer mehreren Meter dicken Schneeschicht zugedeckt. Und in den kalten Nächten soll eine Schneekanone auch den Sommer hindurch Abhilfe schaffen. Wie lange Reisende die Gletscher im Wallis noch bestaunen können, sei recht schwer einzuschätzen, heisst es.

Denn auch in Zermatt kämpft man gegen das Verschwinden des Gletscherpalasts. Erst im Jahr 2008 ist ein neuer Zugang auf fast 4000 Metern eröffnet worden. 8 Millionen Franken wurden unter anderem für einen Liftschacht ausgegeben, der Gäste nun direkt in den Theodulgletscher führt. Wie lange das noch möglich ist, könne auch hier nur vage geschätzt werden. Für die Regionen würde mit dem Verschwinden der Tourismusattraktionen auch eine Menge Geld verloren gehen. So kostet derzeit die Fahrt aufs Klein Matterhorn inklusive Besuch im Gletscherpalast rund 120 Franken.

Tourismusbranche soll nachhaltiger werden

Etwas günstiger ist die Fahrt in Grindelwald. Für 107 Franken kommt man von dort aufs Jungfraujoch. Dort unterhalten die Jungfraubahnen ebenfalls einen Eispalast, aber auch hier mit riesigem Aufwand: Seit 2018 sorgen zwei neue Kältemaschinen und eine Wärmepumpe für die nötige Kühlung. Die Abwärme hingegen wird unter anderem zum Beheizen des Restaurants verwendet. Damit wird das ganze Verfahren etwas nachhaltiger.

Eine Studie der Uni Bern hielt fest, dass die Tourismusbranche ein wichtiger Verursacher von CO₂-Emissionen, aber auch gleichzeitig zentral davon betroffen, sei. Deswegen muss die Branche kreativ werden, um ihren Verpflichtungen beizukommen. So betreibt Saas-Fee Snowfarming, um den Energieverbrauch von Schneekanonen zu reduzieren. Auf lange Sicht gesehen, wird ein Umdenken stattfinden müssen. So setzen die meisten Tourismusorte mittlerweile bereits auf neue Attraktionen, die nicht im Eis liegen.

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(sib)

veröffentlicht: 9. Juli 2023 08:54
aktualisiert: 9. Juli 2023 08:55
Quelle: ArgoviaToday

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