Gotthard

Liegt die zweite Röhre zu nahe am bestehenden Tunnel?

· Online seit 01.10.2023, 08:10 Uhr
Um Spannungen im Gotthard-Strassentunnel zu vermeiden, müsste die zweite Röhre in einem Abstand von 70 Metern zur Bestehenden gebaut werden. Das ist aber auf der Gotthard-Nordseite nicht möglich. Das schreibt die Sonntagszeitung. Deshalb ist die neue Röhre an der Unfallstelle nur halb so weit entfernt, wie sie sein sollte.
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Drei Wochen nachdem der Gotthard-Strassentunnel wegen eines Deckenrisses und Steinschlag gesperrt werden musste, ist ziemlich klar, was die Ursache dafür war und was nicht. Weniger klar seien die Konsequenzen, die aber gravierend sein könnten, schreibt die «Sonntagzeitung».

Instabile Zone im Norden und Süden

Die für den Bau der zweiten Gotthardröhre verantwortlichen Ingenieure würden den Berg mittlerweile gut kennen und seien sich der instabilen Zonen im Norden und im Süden der Portale bewusst, steht in der Sonntagszeitung. Diese Stellen könnten nicht mit einer Tunnelbohrmaschine durchbrochen werden. Deshalb wurde erst ein rund 4 Kilometer langer Zugangsstollen gebaut. Von dessen Ende her wird Gestein im Norden zurück Richtung Portal gesprengt.

Gleichzeitig wurden die Arbeiten vom Nordportal her angegangen. Bis Anfang September seien die Mineure fast fertig geworden. Am Freitag, 8. September, wurde die letzte Sprengung durchgeführt. Es braucht nicht mehr viel, bis sich die beiden Tunnels finden: «Von Norden her müssen noch etwa 90 Meter Gestein abgetragen werden, dann treffen die Mineure aufeinander», sagt Thomas Rohrbach, Sprecher des Bundesamtes für Strassen (Astra) gegenüber der Sonntagszeitung.

Riss hat nichts mit Sprengungen zu tun

Am 10. September kam es dann zum besagten Riss in der Zwischendecke. Dieser befindet sich rund 300 Meter nach dem Nordportal. Rohrbrach schliesst aber einen direkten Zusammenhang mit der letzten Sprengung aus. Die beiden Ereignisse würden zeitlich mehr als 48 Stunden auseinander liegen, sagt Rohrbach. Diese Einschätzung wird von der Erdbebenwarte gestützt. Es habe sich herausgestellt, dass das seismische Ereignis nach dem Einsturz kein Erdbeben war, weder ein natürliches noch eines von einer Sprengung ausgelöstes.

Tunnels zu nahe aneinander gebaut?

Was als Ursache für den Riss in der Decke bleibt, sind Spannungsumlagerungen im Berg. Die könnten gemäss der «Sonntagszeitung» von Ausbruchsarbeiten im Berg kommen. Dabei sei möglicherweise entscheidend, dass die Tunnels an der Schadenstelle zu nahe aneinander gebaut wurden. Zudem werde die zweite Röhre an die bestehende A2 angeschlossen, was eine gewisse Nähe der beiden Tunnelröhren im Portalbereich voraussetze.

Zu wenig Platz in Göschenen und Airolo

Normalerweise beträgt der Sicherheitsabstand mehr als der dreifache Durchmesser des ausgehobenen Tunnels. Der Tunneldurchmesser beträgt 14 Meter. Vorgesehen ist deshalb ein Abstand von 70 Metern. An der Schadensstelle sei der Abstand aber deutlich geringer, sagt Rohrbach dazu. Ein grosser Abstand zwischen dem Portal lassen die Platzverhältnisse weder in Göschenen noch in Airolo zu.

Änderungen am Bauvorgang möglich

In den nächsten Tagen ist zu erwarten, dass die Ursache für den Riss in der Decke geklärt ist. Eine Routenänderung, um die 70 Meter Abstand früher zu erreichen, will man offenbar nicht vornehmen. Tunnelbauexperte Hansruedi Kreusen warnt aber: «Solange die Ursache des Deckenabbruchs nicht geklärt ist, können die möglichen weiteren Risiken für den Strassentunnel nicht beurteilt werden. Sollten die Untersuchungen aber ergeben, dass Spannungsumlagerungen die Ursache sind, müsste mit weiteren solchen Ereignissen gerechnet werden.» Eine sorgfältige Abwägung der Risiken sei deshalb notwendig – Änderungen des Bauvorgangs würden allenfalls erforderlich.

(red.)

veröffentlicht: 1. Oktober 2023 08:10
aktualisiert: 1. Oktober 2023 08:10
Quelle: PilatusToday

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