Immer mehr Medikamente fehlen in der Schweiz
Innert fünf Jahren hat sich die Zahl nicht verfügbarer Arzneimittel verdoppelt. Pharmafirmen melden bis zu 200 Fälle von Versorgungsschwierigkeiten pro Jahr. Darunter sind 77 Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation als unentbehrlich oder vom Bund als lebenswichtig eingestuft werden, schreibt die «NZZ am Sonntag». Der Notstand der Medikamente verschärft sich.
Umstellungen mitten in der Therapie
In Schweizer Entzugskliniken fehlt Antabus, ein wichtiges Mittel zur Alkohol-Entwöhnung. Patienten müssen auf ein anderes Mittel umstellen – auch wenn sie mitten in der Therapie sind. Erst ab November wird das Medikament wieder lieferbar sein.
Aber nicht nur Lieferengpässe erschweren die Behandlungen in Kliniken und Krankenhäusern. Gewisse Mittel werden vom Schweizer Markt genommen. Seit April sind sieben Medikamente verschwunden. Wer die Konsequenzen trägt? Das sind die Patienten, die ihr benötigtes Medikament nicht mehr bekommen.
Opiate fehlen seit Monaten
Für Schwerkranke, die auf opiathaltige Schmerzmittel angewiesen sind, ist es besonders schwierig. Drei solche Pillen sind in der Schweiz zugelassen, seit Monaten ist jedoch keine davon verfügbar. Das Lieferproblem dürfte auf Produktionsprobleme zurückgehen.
Und auch Kinder sind vom Medikamenten-Notstand betroffen, denn nicht einmal Kindersirup ist lieferbar. In Deutschland stellen Apotheken Hustensaft deshalb selber her. Eine umständliche und teure Massnahme.
Es braucht eine Datenbank
Eine Übersicht zu verfügbaren Arzneimitteln gibt es nicht. Der Bund habe es versäumt, zu definieren, welche Medikamente für die Versorgung des Gesundheitswesens relevant sind, so die Eidgenössische Finanzkommission. Zusätzlich zu Heilmitteln müssten auch fehlende Tierarzneien und die wichtigsten Medizinprodukte erfasst werden.
Nun hat eine Expertengruppe mit diversen Vertretern, unter anderem von Bund, Kantonen und Pharmaindustrie begonnen, Vorschläge auszuarbeiten, um die Versorgungssicherheit herzustellen. In den Kantonen und bei Herstellern könnten grössere Lager mit knappen Medikamenten angelegt werden.
(hap)