Hund beisst Frau Ohr ab

«Ein Hund beisst nicht grundlos zu» – wie konnte es zur Hundeattacke in Flawil kommen?

19.07.2023, 11:12 Uhr
· Online seit 19.07.2023, 07:11 Uhr
Nachdem am Wochenende in Flawil einer Frau von einem Pitbull Terrier das Ohr abgebissen wurde, sind viele Fragen offen. Wie konnte es so weit kommen? Zwei Hundetrainerinnen schätzen den Vorfall ein.
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Eine Frau spaziert am Sonntagvormittag mit ihrem Hund in Flawil. Plötzlich schlüpft ihr American Pitbull Terrier aus dem Halsband, reisst sich los und rennt auf zwei Velofahrer zu. Gemäss Kantonspolizei St.Gallen umkreist der Hund die beiden, bevor er sich auf eine 73-jährige Velofahrerin stürzt und ihr teilweise ein Ohr abbeisst – und das, obwohl er einen Maulkorb getragen haben soll.

Geschichte suspekt

Dass der Hund es trotz Halsband und Maulkorb geschafft haben soll, zuzubeissen, findet Karin Eberle, Inhaberin der St.Galler Hundeschule «Die andere Hundeschule» suspekt. Und auch die Kantonspolizei St.Gallen weiss (noch) nicht, ob das wirklich stimmt. Die angegriffene Velofahrerin soll jetzt Licht ins Dunkel bringen.

Dem Vorurteil, dass Pitbulls aggressive Hunde sind, widerspricht Karin Eberle. Es sei ein Hund wie jeder andere, aber: «Er hat viel mehr Masse und Kraft und ist gerne körperlich aktiv. Terrier sind auch ein bisschen stur. Meiner Meinung nach sind das Hunde, mit denen man viel arbeiten muss», so die Hundetrainerin. Es reiche nicht, mit dem Hund einfach eine Stunde laufen zu gehen. Auf Kopfarbeit und Grundgehorsam sollte man einen besonderen Fokus legen.

«Grundsätzlich sind das ruhige und ausgeglichene Hunde. Es kommt aber sehr auf die Vorgeschichte und den Hundehalter an», sagt Marianne Bühler, Inhaberin der Hundeschule «MyBestFriends» in St.Gallen. Auch sie findet die Geschichte komisch. «Wenn ich einen Hund mit Aggressionspotenzial führe, sichere ich ihn zweifach, und zwar mit Halsband und Gstältli.»

Hundebesitzern fehlt die Geduld

Der Pitbull Terrier aus Flawil ist sechs Jahre alt – ein Alter, in dem ein Hund theoretisch bereits einiges kann. Allerdings spielen viele Faktoren mit ein: «Wie lange hat man den Hund schon, woher kommt er, seit wann wird er ausgebildet? Verallgemeinern lässt sich das nicht», sagt Marianne Bühler.

Hunde seien grundsätzlich nie fertig ausgebildet. «Man muss jeden Tag mit dem Hund arbeiten und jedes Mal reagiert er vielleicht anders. Seinen Hund muss man lesen und einschätzen können», so die Hundetrainerin. Oft erlebe sie auch, dass die Halter ungeduldig sind mit den Tieren. «Die Leute haben das Gefühl, der Hund kann es nach fünf Lektionen. Vielen fehlt das Verständnis für den Hund.»

«Ein Hund beisst nicht grundlos zu»

Hat sich der Hund bedroht gefühlt? Wieso der Hund zugebissen hat, kann Karin Eberle nicht sagen. Klar ist für sie aber: «Bewegung löst immer einen Reiz aus beim Hund, wenn er nicht genügend trainiert wurde.»

Hunde beissen beispielsweise, wenn sie provoziert werden oder Schmerzen haben. «Ein Hund beisst nicht grundlos zu. Für ihn macht es Sinn, wenn er das macht», so Eberle. Auch möglich sei, dass die Halterin mit dem Hund gewisse Reissspiele gemacht und ihm somit beigebracht hat, bei gewissen Bewegungen, beispielsweise Armheben, zu reagieren.

Marianne Bühler sieht nicht nur die Hundehalter in der Pflicht, sondern vor allem auch die Fussgänger, Velofahrer und Jogger. Sie habe schon oft erlebt, dass Leute an den Hunden vorbeisausen. Einmal habe ein Jogger ihr Rudel gar übersprungen. «Wenn man klingelt oder von weitem ruft, geht jeder Hundebesitzer ohne Gemotze zur Seite.» Ohne Signal sei es mit Hund teils einfach unmöglich, rechtzeitig und korrekt zu reagieren. Sie findet: «Wenn man sich respektvoll begegnet und jeder ein bisschen langsamer durch die Welt geht, sind alle sicher.»

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veröffentlicht: 19. Juli 2023 07:11
aktualisiert: 19. Juli 2023 11:12
Quelle: FM1Today

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