Billig-Ware aus China

«Die Nr. 1 der Schweiz»? Achtung vor betrügerischen Online-Shops

· Online seit 20.04.2024, 04:45 Uhr
Manche Angebote sind wirklich zu gut, um wahr zu sein. Immer wieder locken Onlineshops mit hohen Rabatten, einige versprechen sogar regionalen Bezug und hohe Qualität. Die Wahrheit sieht meist anders aus. Das musst du beachten.
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«Boutique Bern» unter Verdacht

Die «Boutique Bern» wirbt mit «based in Switzerland», «hochwertiger Qualität», «24/7 Schweizer Support» und «über 12'300 zufriedenen Kunden». Das Unternehmen soll gar «die Nr. 1 in der Schweiz» sein.

«Unsere Community liebt es», lobt sich die «Boutique Bern» selbst. «Ich schaue mindestens einmal im Monat bei ‹Boutique Bern› rein und entdecke immer wieder neue Produkte, ich liebe es!», schwärmt etwa Alissa K. – anscheinend eine «verifizierte Kundenbewertung».

Die Wahrheit sieht aber anders aus. Auf Bewertungsplattformen wie Trustpilot hagelt es schlechte Bewertungen für die Boutique. Rund 120 Personen haben ihre Meinungen kundgetan und der Tenor ist eindeutig: 100 Prozent der Personen haben 1 von 5 Sternen verteilt. Die Bewertungen sind vernichtend: «Betrug», «billig und nichts wert» und «miserable Qualität». Fast täglich melden sich weitere Personen.

Konsumentenschutz: «Der Shop ist uns bekannt»

Solche Verkaufsmethoden sind mittlerweile ein verbreitetes Problem. «Der Shop ‹Boutique Bern› ist uns bekannt – er ist einer von vielen, der sich als Shop mit einem Bezug zur Schweiz ausgibt, obwohl dieser Bezug nicht gegeben ist», erklärt die Stiftung für Konsumentenschutz auf Anfrage. Gemäss Einschätzung der Stiftung dürfte die Boutique damit gegen das «Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb» verstossen, besonders wegen unlauterer Werbe- und Verkaufsmethoden.

Bei der Stiftung für Konsumentenschutz gehen wöchentlich Meldungen von Personen ein, die auf solche Shops hereingefallen sind. Wie zahlreiche Kundinnen und Kunden berichten, werde über die «Boutique Bern» Billig-Ware aus China geliefert. Es dürfte sich dabei um einen Dropshipping-Shop handeln, bei welchem der Händler die Ware direkt von den Lieferanten an die Kunden weiterverkauft, ohne ein eigenes Lager zu betreiben.

«Meist gelangt man über eine Werbung von Social Media oder über Suchmaschinen wie Google auf solche Webseiten. Die Dropshipping-Shops gaukeln einen hohen Normalverkaufspreis der Waren vor, worauf sie dann einen hohen Rabatt (30 bis 70 Prozent) geben», erklärt Lucien Jucker, Jurist bei der Stiftung für Konsumentenschutz.

Die Meldungen über solche Dropshipping-Shops hätten in den letzten Monaten massiv zugenommen. «Durch das Zusammenspiel mehrerer technischen Begebenheiten ist das Erstellen eines solchen Shops viel schneller gemacht als noch vor ein paar Jahren», so Jucker. So lasse sich bei der E-Commerce-Software «Shopify» etwa direkt die chinesische Onlinehandelsplattform «AliExpress» einbinden – «Shopify» bietet sogar kostenpflichtige Dropshipping-Kurse an. SRF bezeichnete diese Praxis in einem Bericht über die Zusammenarbeit von «Shopify» mit solchen dubiosen Webshops als «Gaunerei im Onlinehandel».

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Eine Betrugsmasche mit System

Doch es sind nicht nur einzelne Läden, die Billig-Ware an Leute senden. Dahinter steckt manchmal ein grösseres System – wie etwa auch bei der «Boutique Bern». Wer beispielsweise nach der Kundenservice-Telefonnummer sucht, stösst auf zahlreiche weitere Seiten, welche nach dem genau gleichen Schema funktionieren. Und mit «genau gleich» ist tatsächlich «genau gleich» gemeint. Oftmals sind die Seiten bis aufs Tüpfchen genau gleich.

So gibt es beispielsweise «Zabella». Die Seite wirbt mit Kinderspielzeug, einer Wasserflasche, einem Mini-Printer, einem Duschkopf oder einer Therapieschaukel. «Unsere Community liebt es», schreiben die Verantwortlichen. «Ich schaue mindestens einmal im Monat bei ‹Zabella› rein und entdecke immer wieder neue Produkte, ich liebe es!», schreibt Alissa K. Kommt dir dieser Kommentar auch bekannt vor?

Ein weiteres Beispiel auf einer anderen Seite: «Ich schaue mindestens einmal im Monat bei Luxotica rein und entdecke immer wieder neue Produkte, ich liebe es!». Von wem wird wohl diese Review stammen? Du hast es erraten: Von Alissa K.

Wer betreibt diese Seiten?

Doch wer steckt hinter diesen dubiosen Verkaufsmethoden? «Zum Teil sind es tatsächlich Schweizer (Einzel-)Unternehmen, manchmal sitzen die Anbieter im Ausland oder es ist aufgrund eines leeren Impressums unklar, wo sich die Verantwortlichen befinden», sagt Lucien Jucker von der Stiftung für Konsumentenschutz.

Viele dieser Firmen finden sich auch im Schweizer Handelsregister. Bei den bereits genannten Läden taucht etwa mehrmals eine in Glarus Nord ansässige Schweizerin auf. Allein im Handelsregister des Kantons Zug ist diese Frau bei 22 Firmen eingetragen.

Bei einigen dieser Firmen gibt es sogar Testimonials von Gründerinnen und Gründern.

Im Handelsregister findet sich bei diesem Unternehmen aber keine Laura. Es ist fraglich, ob es sie überhaupt gibt.

Auf Anfragen bei den Onlineshops gibt es keine Antwort – die Telefonhotline, die als «24/7 Schweizer Support» angepriesen wird, wird scheinbar gar nicht bedient. Auch nach mehrmaliger Kontaktaufnahme haben wir niemanden für ein Statement erreicht.

So fällst du nicht auf solche Billig-Shops rein

Die Stiftung für Konsumentenschutz gibt einige Tipps, wie du dich vor solchen unseriösen Shops schützen kannst:

  • Unbekannte Shops, die auf Kanälen wie Instagram oder Facebook beworben werden, sollten misstrauisch analysiert werden.
  • Wende die Bildersuche (Google oder Tineye) auf angebotene Artikel an. Aufpassen, ob solche Artikelbilder auf Seiten wie «DHgate», «AliExpress» oder «Temu» auftauchen.
  • Weitere Indizien für einen Dropshipping-Shop sind beispielsweise ein unvollständiges Impressum oder wenn alle Produkte rabattiert sind.

Die Stiftung für Konsumentenschutz arbeitet aktuell an einem Online-Ratgeber zum Thema Dropshipping. Dort sollen künftig bekannte Dropshipping-Shops aufgelistet und ein Meldeformular für Konsumentinnen und Konsumenten eingerichtet werden.

Hat es dich bereits erwischt? Das kannst du tun

Leider ist es offensichtlich, wie erfolgreich solche Plattformen sind. Fast täglich steigt die Zahl der negativen Bewertungen auf externen Testportalen. Hat es dich auch schon erwischt?

Wir haben den Juristen vom Konsumentenschutz gefragt, was du jetzt tun kannst:  «Die Möglichkeiten sind leider beschränkt. Wir raten grundsätzlich dazu, eine Meldung wegen Verstosses gegen das UWG zu machen – entweder beim SECO oder bei der Stiftung für Konsumentenschutz. Ausserdem raten wir den Betroffenen, sich beim Zahlungsdienstleister zu melden und die Transaktionen dort zu beanstanden. Die Viseca bietet beispielsweise ein Online-Beanstandungsformular, bei dem als Grund ‹Die gelieferte Ware entspricht nicht der Beschreibung› ausgewählt werden kann. Dieser Grund dürfte auf Dropshipping-Artikel regelmässig zutreffen.»

Ein weiteres rechtliches Vorgehen lohne sich aufgrund des geringen Warenwertes aber nicht, so Lucien Jucker. Auf keinen Fall sollte man die erhaltene Ware nach China retournieren. «Nach Erfahrungen aus unserer Beratung werden die teuer (um die 50 Franken) retournierten Pakete in China nicht abgeholt, sondern bleiben am Zoll hängen», so der Jurist.

veröffentlicht: 20. April 2024 04:45
aktualisiert: 20. April 2024 04:45
Quelle: BärnToday

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