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Experte: Depression in der Beziehung: «Betroffene müssen wissen, dass jemand für sie da ist»

Expertin gibt Tipps

Depression in der Beziehung: «Betroffene müssen wissen, dass jemand für sie da ist»

· Online seit 16.02.2022, 19:48 Uhr
Depressionen und psychische Erkrankungen sind in der heutigen Gesellschaft weiterhin ein Tabu-Thema. Wenn der eigene Partner oder die eigene Partnerin jedoch von der Krankheit betroffen ist, dann muss man das Schweigen brechen. Doch wie geht man genau damit um?
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Wenn der Mensch, den man liebt, an einer Depression erkrankt, dann leiden beide – nur auf unterschiedliche Weise. «Die Erkrankung legt sich wie ein Schatten über die Beziehung und beeinflusst die Partnerschaft stark», wie Katrin Hanno, Chefärztin im Zentrum für Psychiatrie und Psychologie ambulant der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG), im Expertengespräch erzählt. Die Situation stelle für viele Paare eine grosse Hürde dar. Doch mit viel Willenskraft, Geduld und Liebe kann auch diese überwunden werden.

Eine Depression in der Partnerschaft erkennen

Die Partnerin oder der Partner isoliert sich, hat auf nichts mehr Lust und selbst in den schönsten Zeiten verhält sie oder er sich distanziert. Für eine Beziehung sind die Auswirkungen einer Depression alles andere als hilfreich, die Liebenden driften langsam auseinander. «Man sollte transparent mit der betroffenen Person kommunizieren und sie auf das veränderte Verhalten ansprechen», sagt Hanno. Die Schuld an der Erkrankung bei sich zu suchen, ist dabei alles andere als richtig:  «Der Partner oder die Partnerin muss sich bewusst machen, dass er oder sie die Depression nicht verursacht hat», so Hanno.

Oft haben Depressionen einen viel tieferen Hintergrund wie beispielsweise Probleme am Arbeitsplatz, genetische Aspekte oder einfach eine starke Unzufriedenheit mit sich selbst. «Man muss sich als Partner gut über die Krankheit informieren», so Hanno. Ein Verständnis gegenüber dem Partner oder der Partnerin und der Krankheit kann so aufgebaut werden.

So kann man helfen

Die depressive Person muss bemerken, dass vom Gegenüber aus ein gewisses Interesse kommt. Deshalb sollte man die Krankheit auf keinen Fall ignorieren. «Die Kommunikation soll nicht aus Vorwürfen bestehen. Die Betroffenen müssen wissen, dass jemand auch in schwierigen Zeiten für sie da ist.» Ebenfalls sollte man keine Kritik gegenüber der depressiven Person ausüben. «Direkte Ratschläge und Verbesserungsmöglichkeiten im Verhalten der erkrankten Person sollte man unterlassen. Man sollte den Partner oder die Partnerin lieber trösten und ihm oder ihr zuhören», wie Hanno erklärt.

Nicht selten kommt es vor, dass sich Partnerinnen oder Partner depressiver Personen selbst vernachlässigen und viel Energie in die Liebe stecken. Das sollte man jedoch in jedem Fall vermeiden. «Es ist nicht immer leicht, in einer Partnerschaft mit einer depressiven Person zu sein. Deshalb sollte man mit Freunden oder Familienangehörigen über die Situation sprechen.» Laut Hanno kann man in so einem Fall auch die Angehörigenberatung in Anspruch nehmen.

Kann eine Partnerschaft eine Depression überstehen?

Der Wunsch, dass es der Partnerin oder dem Partner gut geht, ist das A und O in einer Beziehung. Auch während einer Depression ändert sich daran nichts und die gesunde Person will helfen. «Man muss eine gewisse Distanz zwischen der Partnerschaft und der Erkrankung schaffen», so Hanno. Oft passiert es, dass die gesunde Person die Rolle des Therapeuten übernehmen will. Laut Hanno ist das jedoch ein grosser Fehler: «Man sollte sich eine Drittperson dazuholen, die sich um die Heilung kümmert. Die Partnerin oder der Partner sollte dabei die Rolle des Unterstützenden übernehmen.»

Falls das nicht der Fall ist, besteht sogar die Gefahr, dass eine Beziehung in die Brüche gehen kann. «Der Heilungsprozess benötigt eine längere Zeit. Das sind sich viele nicht bewusst. Partnerinnen oder Partner verlieren oft die Geduld oder sind erschöpft, dass es der betroffenen Person nicht besser geht. Da können sehr viele negative Gefühle aufkommen und die Beziehung wird beendet.» Meist kommt es auch vor, dass Therapeuten zu spät aufgesucht werden. Auch da kann es zu Problemen kommen, weil man sich schon zu sehr in die Situation verstrickt hat.

Doch wenn man die Erkrankung gemeinsam als Paar durchsteht und die Liebe stark genug ist für dieses Hindernis, kann einen das Erlebnis auch um einiges näher zusammenbringen.

(pro/mbr)

veröffentlicht: 16. Februar 2022 19:48
aktualisiert: 16. Februar 2022 19:48
Quelle: ArgoviaToday

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