Nach Drama am K2

Alpinist zum Gipfeltourismus: «Einen Boom gibt es auch in der Schweiz»

· Online seit 11.08.2023, 05:44 Uhr
Ein 27-jähriger Berghelfer starb am K2, während dutzende Bergsteiger über ihn hinwegstiegen. Der Vorfall löste weltweit Empörung aus. Rekordjäger und Gipfeltouristen gibt es auch in den Alpen – mit den Zuständen im Himalaya ist die Situation hierzulande aber nicht zu vergleichen, sagt der Berner Alpinist Jonas Schild.
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Es sind schockierende Bilder, die sich am K2 abgespielt haben. Auch für den Berner Alpinisten und Bergführer Jonas Schild: «Ich finde es schreckliche Szenen, für mich unvorstellbar.» Trotzdem betont er im Gespräch mit BärnToday immer wieder, dass es sehr schwer sei, den konkreten Fall, der sich am K2 ereignet hat, aus der Ferne zu beurteilen.

Jonas Schild war selber im Himalaya-Gebirge für eine Erstbegehung unterwegs, wenn auch nicht in solcher Höhe. Für den Boom auf die Achttausender hat er aber kein Verständnis: «Ich kann mit dieser Art des Bergsteigens nichts anfangen.»

Höhentourismus im Himalaya nimmt zu

Tatsache ist: Die Besteigung von Bergen wie dem Mount Everest und dem K2 wird immer beliebter. Laut Schild führt das dazu, dass immer mehr Leute mit wenig Erfahrung und wenig Bezug zum Bergsteigen in den Bergen unterwegs sind. «Solange das Höhenbergsteigen immer kommerzieller wird, wird sich wohl nicht viel ändern», sagt er.

In den Bergen geht man zwar immer ein gewisses Risiko ein. Dazu kommt, dass sich Menschen teilweise überschätzen. «Das kann es geben oder man kann auch einfach mal Pech haben», so Jonas Schild. Aber bei dieser Art des Bergsteigens im Himalaya kommt eben noch etwas weiteres hinzu: «Die Leute zahlen viel Geld, sie wollen auf den Gipfel. Dann passieren automatisch so tragische Szenen.» 

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In der sogenannten Todeszone über 8000 Metern über Meer baue der Körper ab. «Eigentlich will man möglichst schnell dort weg.» An eine Rettung mit dem Helikopter ist in dieser Höhe nicht zu denken. Das ist einer der grossen Unterschiede zu den Viertausendern in der Schweiz, wo Helikopterrettungen möglich sind und zum Alltag gehören.

«In der Schweiz ist es eher das umgekehrte Problem: Relativ viele Personen führen Rettungen durch und riskieren so das Leben für Leute, die sich kopflos in Gefahr bringen», sagt Schild. Man habe hier eine sehr gute Bergrettung, das sei ein riesiges Privileg. «Aber die Leute sind dadurch verwöhnt. Es wird davon ausgegangen, dass – egal was passiert – Rettung kommt.»

Boom auch im Berner Oberland

Die Alpen sind im Sommer wie auch im Winter sehr beliebt. Auch das Berner Oberland erlebt den Bergsteig-Trend. «Einen Boom gibt es auf jeden Fall», sagt Schild. Das sehe er auch als Bergführer. «Im Sommer gibt es einen ziemlichen Run auf die Viertausender.» Er versuche aber, seine Gäste darauf zu sensibilisieren, dass weniger der Gipfel im Fokus steht, sondern dass man vor allem schöne Erlebnisse in den Bergen hat. 

Besonders Mönch und Jungfrau seien «praktische Berge». So ist der Mönch in einem Tag begehbar. «Vor allem für Bergführer in der Region ist das so etwas wie das tägliche Brot», sagt Schild und schliesst auch sich selbst mit ein. «Da ist man froh, dass man so einen einfach zugänglichen Viertausender direkt vor der Haustüre hat.» Gleichzeitig sei der Mönch aus seiner Sicht auch einer der Berge, die am ehesten unterschätzt würden.

Grosser Unterschied zum Himalaya

Bilder wie im Himalaya, wo hunderte Bergsteiger für ihre Gipfeltour Schlange stehen, kennt man aus den Schweizer Alpen nicht. Auch am Matterhorn habe man das Problem mittlerweile in den Griff bekommen. «Klar kommt es an einzelnen Tagen vor, dass man vor einer schweren Stelle kurz anstehen muss.» Aber grundsätzlich ist die Situation nicht mit derjenigen im Himalaya vergleichbar.

Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass in der Schweiz an vielen Tagen im Jahr Gipfelbesteigungen möglich sind. Das steht laut Schild in starkem Gegensatz zum Mount Everest oder zum K2, wo man teilweise nur an fünf Tagen im Jahr gute Bedingungen für einen Gipfelversuch hat.

veröffentlicht: 11. August 2023 05:44
aktualisiert: 11. August 2023 05:44
Quelle: BärnToday

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