Urteil nach 16 Jahren

15 Jahre Haft im Barchetsee-Mord: Ein Täter, ein Freispruch

04.03.2024, 19:44 Uhr
· Online seit 04.03.2024, 05:35 Uhr
Im Barchetsee-Mordfall hat das Bezirksgericht Frauenfeld TG am Montag einen der beiden Beschuldigten freigesprochen. Den zweiten verurteilte das Gericht wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
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Ein Freispruch und ein Schuldspruch im Barchetsee-Mordfall. Das hat das Bezirksgericht Frauenfeld am Montag entschieden. Für sein Urteil konnte sich das Gericht einzig auf Indizien stützen. In einem solchen Fall darf ein Schuldspruch nur erfolgen, wenn das Gericht «keine vernünftigen Zweifel» an der Täterschaft eines Beschuldigten hat. Dies traf im Barchetsee-Mordfall aber nur auf einen Beschuldigten zu, einen heute 63-jährigen Schweizer Wirt.

Das Bezirksgericht konnte sich einzig auf Indizien stützen. Diese müssen sich in ihrer Gesamtheit wie ein Mosaik zu einem Bild zusammenfügen. Trotz allfälliger Lücken muss ein Bild klar erkennbar sein. Laut Gesetz darf eine Verurteilung nur erfolgen, wenn das Gericht keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft der Beschuldigten hat. Dies traf nun bei einem Beschuldigten nicht zu.

Beim zweiten Beschuldigten, einem 59-jährigen italienischen Kranführer, sei «nicht erstellt, dass er der zweite Täter» gewesen sei, sagte der vorsitzende Richter in der mündlichen Urteilsbegründung. Es gebe zwar Hinweise, aber diese «verdichteten sich nicht zu einem Gesamtbild, das keine Zweifel zulässt». Der Mann erhält Genugtuung und Schadenersatz von total gegen 40'000 Franken.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sie können ans Obergericht des Kantons Thurgau weitergezogen werden. Der Staatsanwalt hatte für beide Beschuldigten lebenslängliche Freiheitsstrafen wegen Mordes gefordert. Die Verteidiger plädierten für beide Männer auf Freispruch.

TVO-Reporterin Anja Müggler war bei der Urteilsverkündung vor Ort und fasst das Geschehene zusammen:

Quelle: TVO

Verdeckte Ermittlungen gerechtfertigt

Für die Urteilsfindung wertete das Gericht vor allem die Aussagen aus, die der Beschuldigte 2022 gegenüber zwei verdeckten Ermittlern gemacht hatte. Die Voraussetzungen für deren Einsatz seien erfüllt gewesen, konterte das Gericht Einwände der Verteidigung. Von sich aus, ohne unter Druck gesetzt worden zu sein, habe der Tatverdächtige die Tat detailliert geschildert.

Dabei erwähnte er laut Richter zahlreiche Einzelheiten, die nie in den Medien erschienen waren, und die nur die Täterschaft wissen konnte. So sei den Medien etwa nur mitgeteilt worden, dass die Leiche mehrere Schussverletzungen aufwies. Der Beschuldigte aber habe faktentreu die einzelnen Schüsse in Rücken, Arm und Bein sowie einen letzten, tödlichen Schuss in den Kopf genannt.

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Der Mann sei «sicher ein Geschichtenerzähler», bezog sich der Richter auf ein Argument der Verteidigung. Seine Aussagen seien jedoch glaubhaft, enthielten diverse Realitätsmerkmale, machten insgesamt den Eindruck des Selbst-Erlebten. Zudem passten sie gut zu den gesicherten Spuren und zum rekonstruierten Tatablauf.

Jedes einzelne Detail der Schilderung hätte zufällig den Fakten entsprechen können, sagte der Richter. «Alle zusammen konnte nur wissen, wer dabei war». Zudem habe der Beschuldigte seine Aussagen laufend den Erkenntnissen der Ermittler angepasst. Dies und weitere Indizien liessen dem Gericht «keinerlei Zweifel an der Täterschaft» des Mannes.

Tatbeteiligung unklar

Anders beim Mitbeschuldigten. Er war von seinem Kollegen nicht explizit, sondern nur in Andeutungen als Mittäter genannt worden. Diverse Angaben hätten aber nicht gestimmt, so der Richter, und es habe weitere Personen im Umfeld des Verurteilten gegeben, die in Frage gekommen wären. Alles in allem sei das Gericht «nicht überzeugt von der Tatbeteiligung» des 59-Jährigen.

Die Einstufung der Tat als Mord begründete das Gericht damit, dass das spätere Opfer beim Hauptbeschuldigten Schulden gehabt habe. Er habe ihn «aus purer Kränkung wegen einer Lappalie» getötet. Dabei sei der Beschuldigte skrupellos und heimtückisch vorgegangen. Ein angeblicher Tötungsauftrag durch die - mittlerweile verstorbene - Ehefrau des Opfers liess sich laut Gericht nicht erstellen.

Mit dem Urteil ist nun ein langjähriger Fall zumindest teilweise zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Wer der zweite Täter war, bleibt nach wie vor unklar.

Am 13. Dezember 2007 wurde im Thurgauer Barchetsee die mit einem Betonelement beschwerte Leiche eines 27-jährigen Ägypters entdeckt. Lange blieben die Ermittlungen erfolglos. Jahre später wurde der «Cold Case» neu aufgerollt. Dabei kamen auch verdeckte Ermittler zum Einsatz. Im August 2022 wurden dann die beiden Männer verhaftet.

(sda/red.)

veröffentlicht: 4. März 2024 05:35
aktualisiert: 4. März 2024 19:44
Quelle: FM1Today

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