Löcher in Kisten

«Verkackte» Masthühner – Tierschützer wollen würdevollen Transport

14.03.2024, 16:42 Uhr
· Online seit 13.03.2024, 06:06 Uhr
Transportboxen für Masthühner sollen künftig so gebaut sein dürfen, dass der Kot von Hühnern auf andere fallen kann. Tierschützer lehnen die Anpassung des Bundes ab. «Die Situation der Hühner wird so noch beschissener», sagt Esther Geisser von Netap.
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Der Appetit auf Poulet ist in der Schweiz gross. Pro Jahr konsumieren die Schweizerinnen und Schweizer mehr als 110'000 Tonnen Geflügelfleisch oder rund 15 Kilo pro Kopf. Unappetitlich mutet eine Anpassung der Tierschutzverordnung bei den Transportkisten für Masthühner an.

Künftig sollen die Stapelbehälter so gebaut sein, dass dabei «keine oder nur wenig Ausscheidungen» in die unteren Behälter gelangen können. Konkret sind damit Kot und Urin gemeint. Aktuell schreibt die Verordnung jedoch vor, dass «keine Ausscheidungen» in die unteren Behälter gelangen können.

Hintergrund ist, dass Masthühner direkt in den Transportbehältern betäubt werden können. Diese müssen deshalb über perforierte Böden verfügen. Die Betäubung in der Box würde den Hühnern den Stress des Ausladens und Aufhängens ersparen.

«Leid für ein kleines ‹Bisschen› Poulet»

Noch bis zum 15. März befindet sich die Anpassung in der Vernehmlassung. Die Zürcher Juristin und Tierschützerin Esther Geisser von Network for Animal Protection (Netap) protestiert dagegen. «Ich erkenne durchaus die Vorteile der Boxenbetäubung. Doch wer garantiert dem Huhn dieses Vorgehen?», sagt Geisser zu ZüriToday. Diese sei nirgends im Gesetz vorgeschrieben. Diese Unverbindlichkeit führe grundsätzlich zu einer Verschlechterung der Situation der Hühner. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bestätigt auf Anfrage, dass die bisherigen Betäubungssysteme weiterhin erlaubt bleiben sollen.

Dass gleichzeitig neu «wenig» Kot in die unteren Boxen fallen darf, ist für Esther Geisser ein Rückschritt. «Die Situation der Hühner ist ohnehin schlimm genug, und nun wird sie noch ‹ein wenig› beschissener», sagt sie. Solche Bestimmungen verletzen ihrer Meinung nach klar die in der Bundesverfassung und in der Tierschutzgesetzgebung verankerte Würde der Tiere.

Geisser macht darauf aufmerksam, dass das Huhn keine Lobby habe. Weltweit sei es das am meisten ausgenutzte Tier und auch in der Schweiz würden seine Bedürfnisse konstant ignoriert. Dabei seien Hühner äusserst spannende und sensible Tiere. So spreche die Henne zum Beispiel mit ihren Küken schon, bevor sie schlüpften und allein für das Wort «Gefahr» hätten Hühner 30 verschiedene Laute. «Es wäre schön, die Menschen würden hinter dem Produkt auch mal das Lebewesen sehen und sich überlegen, ob sie wirklich dieses ganze Leid mitverantworten wollen für ein kleines ‹Bisschen› Poulet.»

«Ausmass wird nicht konkretisiert»

Auch die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) lehnt diese Änderung der Verordnung ab. Die Erweiterung der Bestimmung mit den Worten «nur wenig Ausscheidungen» sei sehr ungenau, sagt Laetizia Ban, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin. «Welches Ausmass an Ausscheidungen zu tolerieren ist und wann ein Verstoss gegen die Bestimmung anzunehmen ist, wird nicht konkretisiert.» Um die korrekte Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung garantieren zu können, müsse eine solche jedoch genügend klar formuliert sein oder einen genau abgrenzbaren Ermessensspielraum eröffnen.

TIR sieht Umsetzungsprobleme programmiert. Die Ausgestaltung von Tierhaltungs- und Tiertransportsystemen solle heutzutage eine möglichst einfache Handhabung im Sinne eines effizienten Arbeitsablaufs sicherstellen.

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«Das hat bei Tiertransporten unter anderem zur Folge, dass den Tieren in Transportkisten oder -behältern besonders wenig Platz geboten wird», sagt Laetizia Ban. Auf diese Weise könnten möglichst viele Tiere auf einmal transportiert werden. Die geplante Änderung solle bei der Anwendung der neuen Gasbetäubungssysteme, in denen die Tiere direkt in den Transportkisten betäubt würden, eine rasche und korrekte Betäubung gewährleisten. «Um eine solche für jedes Tier garantieren zu können, sind jedoch anderweitige Lösungen zu finden», so Ban.

«Gute Luftzirkulation während Transport»

Geflügelproduzenten unterstützen die Anpassung. Diese sei hinsichtlich des Tierwohls sinnvoll, sagt etwa Walter Scheurer, Geschäftsleitungsmitglied der Frifag Märwil AG. Es gehe darum, ob die Böden der Transportgebinde perforiert sein dürften oder nicht. «Mit Perforierung ist eine gute Luftzirkulation während des Transportes und eine schonende und zuverlässige Betäubung der Tiere im Schlachthof gewährleistet.»

Auch das BLV sieht in der Anpassung ein erhöhtes Tierwohl. Die Betäubung direkt in den Transportkisten bedingt laut dem Erläuternden Bericht eine gute Luftdurchlässigkeit. Die zusätzliche Luftdurchlässigkeit verbessere ausserdem die Belüftung während des Transports, schreibt das BLV weiter. «Dass dabei Ausscheidungen durch die Kistenböden auf die unteren Tiere gelangen können, wird aus Sicht des BLV dadurch aufgewogen.»

veröffentlicht: 13. März 2024 06:06
aktualisiert: 14. März 2024 16:42
Quelle: ZüriToday

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