«Erschütternd»

SRF-«Club» bekommt nach Nahost-Sendung Schelte von Migrantinnen

19.10.2023, 07:27 Uhr
· Online seit 18.10.2023, 20:24 Uhr
Der SRF-«Club» diskutierte den Terror-Angriff auf Israel. Das Online-Portal «Baba News» kritisiert, dass unter den sechs Gästen «keine einzige palästinensische oder muslimische Stimme» war. Eine solche Sendung ist laut SRF bereits geplant.
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In der Gästerunde der neusten Ausgabe des SRF-«Clubs» klaffte eine Lücke. Dieser Meinung ist das Online-Magazin «Baba News», das sich an Schweizerinnen und Schweizer mit Wurzeln von überall richtet. Am Dienstagabend diskutierte Moderatorin Barbara Lüthi mit sechs Gästen den brutalen Terror-Angriff der Hamas auf Israel unter dem Titel «Eskalation in Nahost: Wie weiter?».

In der Runde sassen Shelley Berlowitz des Vereins Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina (JVJP), Joëlle Weil, Journalistin und Kolumnistin, Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler, Sebastian Ramspeck, Internationaler Korrespondent SRF, Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) sowie Laurent Goetschel, Direktor von Swisspeace.

«An Zynismus kaum zu überbieten»

Noch während der Sendung kritisierte «Baba News» in einem Post auf Instagram: «Unter den sechs Gästen ist keine einzige palästinensische oder muslimische Stimme.»

Mehrmals blendete das SRF den Hinweis ein, dass es sich um eine am Dienstag um 17 Uhr aufgezeichnete Sendung handle. Kurze Zeit später tötete eine Rakete in einem Spital in Gaza hunderte Menschen. Dazu empört sich das Online-Magazin: «Dass die Sendung ausgestrahlt wird, nachdem 500 bis 1000 Menschen in einem Spital in Gaza bombardiert und getötet wurden, ist an Zynismus kaum zu überbieten.» Damit trage SRF aktiv zur Dehumanisierung der Palästinenser bei. «Erschütternd», schliesst das Portal den Post.

Aufruf zum Shitstorm

Der Post wurde über 2000 mal gelikt. In den Kommentaren teilen zahlreiche User die Kritik. «Unglaublich. Mir fehlen die Worte. Eine neutrale Schweiz waren wir noch nie und werden wir nie sein, solange wir uns von Fakenews und Zensierungen täuschen lassen», schreibt jemand. Ein User spottet: «‹Islamwissenschaftler› ... anstatt jemanden einladen, der wirklich Ahnung hat und muslimisch ist.» Jemand fordert: «Beide Seiten müssen vertreten sein. Immer. Ich verstehe nicht, wieso das so schwierig ist?» Es gebe ja genug nicht westliche Experten mit Migrationshintergrund, die genauso professionell und faktenbasiert argumentieren könnten.

Ein User ruft zudem auf: «Lasst uns einen Shitstorm verursachen. Bitte alle @srfnews und @barbara_luethi markieren.» Das Online-Magazin veröffentlichte den Post in einer Instagram-Story.

Albina Muhtari, Chefredaktorin des Online-Magazins, war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Sendung mit palästinensischen Stimmen sei geplant

Barbara Lüthi, Redaktionsleiterin und Moderatorin von «Club», beschwichtigt. «Wir planen eine Sendung mit palästinensischen Stimmen. Das stand schon vor dem gestrigen ‹Club› fest», sagt sie auf Anfrage der Today-Redaktion.

Sie macht darauf aufmerksam, dass der brutale Angriff der Hamas auf Israel und die jüdische Reaktion darauf Ausgangspunkt der Sendung war. Im «Club» seien die Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft diskutiert und das Geschehene auf Expertenebene kontextualisiert worden.

Genaue Hintergründe seien bis zur Ausstrahlung nicht geklärt gewesen

«Die Kritik an der Rolle Israels war Teil der Sendung, das auch im innerjüdischen Diskurs», so Lüthi. Beispielsweise Shelley Berlowitz habe gesagt: «Der Staat Israel weigert sich seit 57 Jahren, Palästinenser als Menschen auf Augenhöhe zu anerkennen und sich mit ihnen an den Tisch zu setzen.» Auch die prekäre humanitäre Situation in Palästina war laut Lüthi Thema. «So bezeichnete die Chefin des World Food Programme im Nahen Osten die Situation als absolut dramatisch.»

Lüthi bestätigt, dass die Sendung um 17 Uhr aufgezeichnet wurde, weshalb der Raketeneinschlag beim Spital Al-Ahli in Gaza-Stadt nicht thematisiert worden sei. «Die genauen Hintergründe des Raketeneinschlags waren aber auch zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der Sendung noch nicht geklärt.» Zudem sei es in der Sendung um grundsätzliche Positionen gegangen. Als Beispiel nennt sie die Gefahr eines Flächenbrands und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft. «Themen, die wir auch weiterhin behandeln werden.»

veröffentlicht: 18. Oktober 2023 20:24
aktualisiert: 19. Oktober 2023 07:27
Quelle: Today-Zentralredaktion

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