Kritik am Klima-Urteil

Glättli: «Albert Rösti ist wieder SVP-Präsident»

· Online seit 16.04.2024, 11:27 Uhr
Bundesrat Rösti findet, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei mit der direkten Demokratie nicht vereinbar. Bürgerliche zeigen viel Verständnis für den Umweltminister. Dessen Kritik an einer Judikative sei gleichwohl heikel. Die Grünen sind entsetzt.

Quelle: Bundeshaus-Redaktion

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Die Bundesratsmitglieder haben zum wegweisenden wie umstrittenen Klima-Verdikt aus Strassburg geschwiegen – bis gestern. Am Sechseläuten macht Albert Rösti seinem Ärger schliesslich Luft. Im «TalkTäglich» sagt der Umweltminister über das Urteil: «Ich glaube, es ist nicht vereinbar mit einer direkten Demokratie. Hier beschliesst das Volk.» Zudem sehe er eine Verschiebung der Gewaltenteilung, eine Stärkung der Judikative.

Eine Frage der Gewaltenteilung

Eine Exekutive, der Bundesrat, kritisiert also eine (internationale) Judikative, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Heikel, heisst es im Parlament. Zur Gewaltenteilung gehöre eben auch, sich in Kritik an anderen Staatsgewalten zurückzuhalten, findet FDP-Nationalrat Beat Walti.

Mitte-Fraktionspräsident und Jurist Philipp Matthias Bregy ergänzt: «Wenn eine Gewalt die andere kritisiert, birgt dies das Risiko, dass alles instabiler wird.» Aber: Angefangen habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Denn die Richter hätten mit ihrem Urteil gegen die Schweizer Politik betrieben. Im gleichen Sinne zeigt Jurist Beat Walti Verständnis für Albert Rösti: «Ich rege mich auch auf über das Urteil.»

Grüne wittern Parteipolitik

Die Grünen gehen mit dem Umweltminister hart ins Gericht: «Albert Rösti hat die Haltung eines Bundesrats verloren, er ist in die Rolle eines SVP-Präsidenten zurückgefallen», findet Nationalrat Balthasar Glättli. Offenbar habe Rösti nicht verwunden, dass die SVP-Selbstbestimmungsinitiative seinerzeit vor dem Stimmvolk scheiterte. Diese wollte Schweizer Recht grundsätzlich über internationales stellen.

Umstrittenes Urteil

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kam letzte Woche zum Schluss, die Schweiz unternehme zu wenig gegen den Klimawandel, schütze die Seniorinnen unzureichend davor und verletze damit die Menschenrechte. Geklagt hatten die Klimaseniorinnen, unterstützt von Greenpeace. Das Urteil gilt einerseits als international wegweisend, erfährt aber auch viel Kritik, weil in der Menschenrechtskonvention nichts von Klimaschutzzielen steht.

Neben seiner persönlichen Meinung wiederholt Albert Rösti gestern die offizielle Reaktion der Schweiz: Man analysiere jetzt das Urteil. Und: Das Land habe seit Einreichung der Klage «sehr, sehr viel» gemacht habe in Sachen Klimaschutz. Das habe Strassburg nicht berücksichtigt. Inwiefern Bern das Urteil berücksichtigt, bleibt offen nach Röstis Offenbarung mehr denn je.

veröffentlicht: 16. April 2024 11:27
aktualisiert: 16. April 2024 11:27
Quelle: Bundeshaus-Redaktion

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