Botschafterin in Bern

«Berührt von jedem Schweizer, der Solidarität mit Israel zeigt»

11.10.2023, 15:27 Uhr
· Online seit 10.10.2023, 17:54 Uhr
Israel wurde am Wochenende von einem brutalen Angriff der radikal-islamischen Hamas überrascht. Der Schock ist gross – auch hier in der Schweiz. Im Interview erklärt Ifat Reshef, die israelische Botschafterin in Bern, wie ihr Alltag seit Samstag aussieht und wie man von der Schweiz aus, die Opfer des Angriffs unterstützen kann.

Quelle: Keystone-SDA

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BärnToday: Wie haben Sie am Samstag vom Angriff der Hamas auf Israel erfahren?

Ifat Reshef: Mein Sohn weckte mich am Samstag auf. Ich verstand an seinem Gesichtsausdruck sofort, dass schreckliche Dinge passiert sein mussten. In den ersten paar Stunden herrschte viel Unsicherheit. Wir waren uns des Ausmasses dieser schrecklichen Attacke noch nicht bewusst. Wir sind uns inzwischen der Grausamkeit der Massaker bewusst und wurden davon übermannt.

Quelle: Angriff auf Festival in Israel / Video vom 9. Oktober 2023 / CH Media Video Unit / Ramona De Cesaris

Wie sieht Ihr Alltag als Botschafterin in Bern seit dem Angriff aus?

Wir arbeiten seit dem Wochenende rund um die Uhr. Alle meine Kollegen in Israel und hier in Bern befinden sich in einem Ausnahmezustand. Wir befinden uns inmitten eines Krieges, den wir nicht wollten und auch nicht begonnen haben. Es handelt sich dabei um einen ungerechtfertigten und grundlosen Krieg von Hamas-Terroristen gegen uns. Es handelt sich um einen grausamen, bösartigen und tödlichen Überfall auf israelische Bürger. Wir müssen uns nun selbst verteidigen und das Grauen beenden.

Stehen Sie mit den Behörden in Israel in Kontakt?

Wir stehen selbstverständlich mit unseren Kollegen in Jerusalem in Kontakt. Jeder ist beschäftigt und arbeitet unermüdlich. Als Botschafterin konzentriere ich mich nun ausschliesslich auf die Bewältigung der aktuellen Situation.

Wie unterstützt die israelische Botschaft beispielsweise Israeli, die in der Schweiz leben?

Wie alle unsere Kollegen auf der ganzen Welt versuchen wir die israelische Gemeinschaft zu unterstützen. Viele wollen zurück nach Israel, um dort zu helfen. Allerdings gibt es nur wenige Flüge. Wir versuchen ihnen zu helfen, nach Israel zurückzugehen. Wir versuchen das Beste, um unsere Angehörige in Israel zu unterstützten. Das ganze Land ist auf Hilfe angewiesen.

Viele melden sich auch bei uns und wollen spenden. Ich versuche, auf jede Nachricht zu antworten und die Hilfsangebote zu koordinieren.

Quelle: Schweizer Reiseleiter erlebt Raketeneinschläge in Israel hautnah mit / ZüriNews vom 9. Oktober 2023

Melden sich auch Schweizerinnen und Schweizer bei Ihnen und wollen helfen?

Ja, die Leute sind überwältigt vom Ausmass des Bösen, das die Hamas-Terroristen zeigen. Sie beginnen zu verstehen, dass Hamas die Praktiken und moralischen Werte des IS (Islamischer Staat, Anmerkung der Red.) übernommen hat. Ich bin wirklich gerührt von normalen Schweizer Bürgern, die anrufen oder eine E-Mail schreiben und ihre Solidarität ausdrücken. Sie fragen, ob es irgendetwas gibt, was sie tun können, um uns zu unterstützen.

Wie genau können sie helfen?

Es gibt verschiedene Wege. Wir sind jetzt dabei, die verschiedenen Vorschläge auszuarbeiten und versuchen, die Menschen dort zu erreichen, wo sie helfen können. Es gibt auch Israeli hier, die Unterstützung brauchen. Was wir jedoch am meisten wertschätzen, ist die Unterstützung durch alle unsere Freunde, einschliesslich der Schweiz. Das Selbstverteidigungsrecht Israels, um das Böse aufzuhalten, muss durch die internationale Gemeinschaft bedingungslos anerkannt werden. Wir können die schlechten Intentionen der Hamas nicht beseitigen, aber zumindest ihre Fähigkeit, weiterhin unschuldigen Menschen zu schaden.

In verschiedenen europäischen Städten gab es Solidaritätsdemonstrationen für Israel. Rechnen Sie auch mit solchen Aktionen in der Schweiz und in Bern?

Ich bin zuversichtlich, dass wir öffentliche Unterstützungsbekundungen sehen werden. Solche Aktionen begrüssen wir sehr. Ich möchte die Schweizer Bürger genauso wie die Schweizer Institutionen ermutigen, ihre Solidarität öffentlich zu zeigen. Da gibt es verschiedene Wege. Viele öffentliche Gebäude in ganz Europa erstrahlen zum Beispiel derzeit in den Farben der israelischen Flagge.

In manchen Städten gab es auch Solidaritätsdemonstrationen für die Angreifer. Was sagen Sie dazu?

Es ist schrecklich, wenn die Unterstützung für die Terroristen von Hamas zur Schau gestellt wird. Ich kann nicht verstehen, wie man sie unterstützen kann, nachdem man weiss, dass Hamas über 900 Menschen brutal ermordet, Babys und Grossmütter gekidnappt sowie ganze Familien umgebracht und massakriert hat. Man muss sich mal vorstellen, wenn mitten in einer europäischen Hauptstadt eine Pro-IS-Demonstration durchgeführt würde. Hamas ist genauso bösartig wie der IS. Jede Person und jede Gesellschaft mit den menschlichen Grundwerten müssen die Gräuel der Terroristen anprangern.

Im Gegensatz zur EU anerkennt die Schweiz Hamas nicht als Terrororganisation. Muss sich das nun sofort ändern?

Ich empfehle dringend, das zu tun. Die Schweiz als Mitgliedsstaat des Uno-Sicherheitsrates und als Land, das zu Recht stolz auf seinen Anteil und seine Rolle bei der Entwicklung und Wahrung des internationalen Rechts, sollte Hamas als das wahrgenommen werden, was sie ist, nämlich als bösartige Terrororganisation.

In Israel wurde der Kriegszustand ausgerufen, die israelische Armee hat eine Gegenreaktion angekündigt. Wie wird diese Ihrer Einschätzung nach ausfallen?

Es ist wichtig zu wissen, dass Israel diesen Kriegszustand nicht wollte, er wurde uns durch den Angriff der Hamas auferlegt. Ich kenne kein anderes Land, dessen Bürger abgeschlachtet werden, das nicht versuchen würde, sich zu verteidigen. Wir werden das Nötige tun, um unsere Bürger zu schützen. Man muss beachten, dass neben der Hamas, auch die Hisbollah und Iran alles daran setzen, möglichst viel Leid in Israel zu verursachen und die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und arabischen Staaten in den letzten Jahren zunichte zu machen. Ich weiss nicht, wie lange es dauern wird, diesem Übel ein Ende zu setzen.

Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?

Wir erwarten, dass der Kampf gegen Hamas ernst genommen wird wie der Kampf gegen den IS. Wir erwarten nicht, dass die internationale Gemeinschaft einen Krieg für uns führt, wir erwarten von der internationalen Gemeinschaft aber, dass sie sich hinter uns stellt – und das ohne Wenn und Aber.

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veröffentlicht: 10. Oktober 2023 17:54
aktualisiert: 11. Oktober 2023 15:27
Quelle: BärnToday

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