Zürcher Laienlehrpersonen pfeifen auf Diplom – Schul-Qualität droht Abbau
Sie bringen Kindern gerne etwas bei – selber wollen sie aber nicht mehr die Schulbank drücken. Lediglich 19 Laienlehrpersonen von rund 500, die letztes Schuljahr im Kanton Zürich gestartet sind, wollen diesen Herbst die Ausbildung für das Lehrerdiplom an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PH) in Angriff nehmen.
Insgesamt haben rund 50 Personen das spezielle Aufnahmeverfahren bestanden, das die PH für unausgebildete Lehrpersonen entwickelt hat. Angemeldet für das Aufnahmeverfahren haben sich rund 90 Kandidatinnen und Kandidaten, wie ein Mediensprecher der PH auf Anfrage angibt.
Christian Hugi, Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands (ZLV), enttäuscht das geringe Interesse der Laienlehrpersonen am Lehrdiplom. «Aus unserer Sicht haben sich viel zu wenige Lehrpersonen ohne Diplom für die Ausbildung angemeldet», sagt Hugi zu ZüriToday. Der ZLV habe gehofft, dass etwa die Hälfte der rund 500 Laienlehrpersonen die Ausbildung an der PH beginnen würde.
«Grosse Mühe mit ständigen Lehrerwechseln»
Im neuen Schuljahr überbrückt der Kanton Zürich den Lehrermangel mit rund 600 Laienlehrpersonen. Gleichzeitig dürfen die «Poldis», Personen ohne Lehrdiplom, ihre Ausbildung an der PH maximal zwei Jahre hinausschieben, sofern sie sich für das spezielle Aufnahmeverfahren angemeldet haben. Damit bringen erneut viele neue, unausgebildete Lehrpersonen den Schülerinnen und Schülern Lesen, Schreiben und Rechnen bei.
Sorgen bereitet Hugi, dass viele Kinder das zweite Jahr in Folge von unausgebildeten Lehrpersonen unterrichtet werden. Schlimm wäre, wenn solche sich jedes Schuljahr aufs Neue ablösen würden, sagt er. «Wenn ein Kind plötzlich eine ganze Schulkarriere ohne ausgebildete Lehrpersonen durchläuft, kann dies zu Problemen führen.» Zudem hätten einige Kinder grosse Mühe mit ständigen Lehrerwechseln. «Günstiger wäre es, wenn eine Lehrperson einen Klassenzug durchziehen könnte.»
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Auch Studien belegen, dass der Beitrag der Lehrperson und des Unterrichts einen grossen Einfluss hat. Laut der Hattie-Studie sind diese beiden Faktoren für bis zu 30 Prozent der Unterschiede in den Leistungen der Schüler verantwortlich. «Damit ist der Einfluss der Lehrperson grösser als der Einfluss schulisch-struktureller Merkmale», kommt die Studie zum Schluss.
Schon vor der Ausbildung genug vom Beruf
Einige Laienlehrpersonen haben kein Interesse am Lehrer-Diplom, weil sie nach dem befristeten Jahr vom Beruf bereits die Nase voll hatten. «Genannt wurde die enorme Belastung, die verschiedenen Ansprüche an eine Person und der intensive Kontakt mit Schülern und Eltern», sagt Christian Hugi.
Viele Laienlehrpersonen pfeifen aber auch auf das Lehrerdiplom, weil sie sich ein solches nicht leisten können. Oft handle es sich bei den Laienlehrpersonen nicht um junge Menschen, sondern um solche, die mitten im Leben stünden, sagt Christian Hugi. Bei der Teilzeit-Ausbildung können die angehenden Lehrpersonen maximal 40 Prozent arbeiten. Hugi: «Wenn man mitten im Leben steht, Familie hat und finanzielle Verpflichtungen, liegt eine solche Ausbildung oft nicht einfach so drin.»
Bildungsdirektion zeigt sich optimistisch
Christian Hugi fordert, dass der Kanton bei der Ausbildung nochmals über die Bücher geht. «Dem Kanton muss es gelingen, die Laienlehrpersonen davon zu überzeugen, dass die Ausbildung für das Lehrerdiplom attraktiv ist.» Eine mögliche Lösung sieht er in zinslosen Stipendien oder in einem anderen Ausbildungsmodell. «Dabei würden die Laienlehrpersonen während der Ausbildung bereits einen Vollzeitlohn erhalten, wie dies etwa in der Polizeischule der Fall sei.»
Trotz des bescheidenen Interesses an der Lehrer-Ausbildung blickt die Zürcher Bildungsdirektion optimistisch in die Zukunft. Wenn eine Person nicht gleich dieses Jahr das Studium aufnehme, bedeute dies nicht, dass sie sich gegen die Ausbildung zur Lehrperson entschieden habe, sagt Amtschefin Myriam Ziegler. «Es ist gut möglich, dass sie dieses Schuljahr weiter in der Gemeinde unterrichtet und das Studium zu einem späteren Zeitpunkt aufnimmt.» Die anstellenden Gemeinden seien dafür besorgt, dass durch einen sinnvollen Personaleinsatz die Qualität des Unterrichts für alle Schülerinnen und Schüler gewährleistet sei.