Zürcher EDU twittert über Klimawandel und kassiert Shitstorm
«Wenn man eine mit Wasser gefüllte PET-Flasche ins Gefrierfach legt, friert das Wasser und die Flasche dehnt sich aus. Nimmt man die Flasche wieder raus, schmilzt das Eis und die Flasche erhält wieder ihre ursprüngliche Form.» Was wie eine Erklärung des Physiklehrers der ersten Stunde klingt, beschäftigt die Zürcher EDU auf Twitter:
Legt man ne Pet-Flasche voll Wasser ins Gefrierfach, gefriert das Wasser und die Flasche wird aufgebläht. Nimmt man die Flasche raus, schmilzt das Eis und die Flasche nimmt wieder ihre ursprüngliche Form an.
— EDU Kt. Zürich (@EDU_ZH) January 11, 2023
Wieso sollte ein Schmelzen der Pole zu Meeresspiegelanstieg führen? 🤔
EDU-Tweet löst Shitstorm aus
Ausgehend vom PET-Flaschen-Experiment fragen sich die Zürcher EDUler, wieso die schmelzenden Pole zu einem Anstieg der Meeresspiegel führen sollen.
Die Reaktionen darauf sind zahlreich: Stand 13. Januar sind knapp 400 Kommentare eingegangen und über 100'000 Menschen haben den Tweet gesehen. Kurz gesagt: Der Tweet der EDU geht viral.
Jedoch nicht im guten Sinne: die meisten Kommentierenden reagieren mit Unverständnis und Humor. Das sind die besten Reaktionen auf den Tweet:
Thomas Bönko, alias @ThBenkoe, liess das Face-Palm-Meme aus dem Film «Nackte Kanone» für sich sprechen. Bei 6590 Personen löste die EDU-Aussage die gleiche Reaktion aus.
#Antarktis #Grönland pic.twitter.com/3G1aOOOAjI
— bö (@ThBenkoe) January 12, 2023
Patrick Seemann, Technik-Journalist, erklärte der EDU, wieso das Schmelzen des Eises eben doch zum Anstieg des Meeresspiegels führt:
Weil Grönland und Antarktis Inseln bzw. Kontinente sind.
— Patrick Seemann (@nohillside) January 12, 2023
Auch die Grünen des Bezirks Uster mischen sich in die Diskussion ein:
Uh, die EDU und Physik...
— Grüne Bezirk Uster 🇺🇦 (@GruBezU) January 12, 2023
Offen bleibt, ob die EDU ihre Aussage meinte oder bloss provozieren wollten.
Podcasterin The Bekks hofft:
Ich hoffe, ihr pflanzt euch nicht fort.
— The Bekks🎙️ (@hanbekks) January 12, 2023
Kimaeperte Reto Knutti schätzt ein
Auch ETH-Klimaexperte Reto Knutti äusserte sich auf Twitter mit einem Youtube-Link zu einer Folge von Daily Show.
Eignet sich gut für Satire, liebe EDU 🤣
— Reto Knutti (@Knutti_ETH) January 12, 2023
Das Eis, das den Meeresspiegel ansteigen lässt, ist auf dem Land.https://t.co/Re9OtDdgnq https://t.co/l82poWIjkC pic.twitter.com/2GqTcr1kRd
Der Experte führt gegenüber ZüriToday aus: «Es ist einfach: Das Schmelzen von Meereis, das heisst Eis, das auf dem Wasser schwimmt, ändert den Meeresspiegel tatsächlich nicht. So wie das Schmelzen eines schwimmenden Eiswürfels den Pegel im Wasserglas nicht ändert.»
PET-Flaschen-Vergleich hinkt
Knutti erklärt weiter: «Diese Eisschilder sind zum Teil über 3000 Meter dick und oben über 3000 Meter über Meer. Schmelzen diese, dann steigt der Meeresspiegel natürlich entsprechend. Schmilzt Grönland ganz, dann steigt der Meeresspiegel etwa sechs Meter, schmilzt die Antarktis, dann steigt er etwa 60 Meter. Das passiert nicht morgen, aber wenn schon nur ein paar Prozent schmelzen, dann sind das mehrere Meter.»
Und weiter: «Der Meeresspiegel steigt neben dem Schmelzen von Grönland und der Antarktis auch noch durch das Abschmelzen der kleinen Gletscher (Alpen, Himalaja etc.). Und mit der Erwärmung wird auch der Ozean wärmer, warmes Wasser dehnt sich aus und der Meeresspiegel steigt auch darum. Die-PET Flasche im Gefrierfach hilft also in keiner Weise, den Meeresspiegelanstieg zu verstehen.»
Ist der Tweet der EDU Fake News?
Reto Knutti sagt, er fände es nicht problematisch, dass solche Aussagen ab und zu kommen. Er fügt jedoch hinzu: «Dass sie von den von uns gewählten Vertretern in der Politik kommen, von denen wir erwarten, dass sie für unser Land Entscheide treffen, finde ich bemerkenswert.»
Der Tweet zeuge, so Knutti, entweder von einer grossen Ignoranz oder es sei «ein ziemlich plumper Versuch, Fake News zu verbreiten.» Er ergänzt: «Ich weiss nicht, was schlimmer ist.»
EDU zeigt sich ab den Reaktionen überrascht
Die EDU erklärt auf Anfrage von ZüriToday, dass der Tweet offensichtlich nicht ernst gemeint gewesen sei. Man vertrete die Haltung, dass es den Klimawandel gibt. «Ob der tatsächlich menschgemacht ist, bleibt dahingestellt. Nichtsdestotrotz ist es klar, dass wir mit der Schöpfung mit Sorgfalt umgehen müssen», fügt Jan Leitz, stellvertretender Geschäftsführer der EDU Kanton Zürich an.
Twitter sei ein soziales Labor, in welchem man auch mal provokante Aussagen machen können sollte, um so gewisse Reaktionen zu provozieren. Man habe aber nicht mit so vielen Reaktion gerechnet, viele seien auch direkt beleidigend gewesen. «Dies zeigt, dass gewisse Teile der Bevölkerung bei bestimmten Themen gar nicht an einem Dialog interessiert sind, sondern in einer Welt leben, wo nur ihre Meinung die richtige ist. Wer diese nicht teil wird zum Querdenker, Schwurbler, Nazi oder ist einfach nur blöd.»
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(Gioia Niessner)