Nach Zusammenbruch

Zürcher Coach-Akademie lässt Opfer sexueller Gewalt auf Kosten sitzen

10.03.2023, 06:45 Uhr
· Online seit 10.03.2023, 05:57 Uhr
Eine Studentin brach ihre Ausbildung zum Mental Coach an einer Zürcher Akademie wegen eines Traumas abrupt ab. Die bereits bezahlten Kurskosten will die Schule nicht zurückerstatten. Das passe nicht zum Programm der Schule, findet die Studentin.
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Menschen helfen, Stress zu bewältigen und innere Stärke zu erlangen – das wollte M.R.* zu ihrem Beruf machen. Doch dazu hat sie seit Oktober 2022 keine Kraft mehr. In der Hälfte ihrer einjährigen Ausbildung zum Mental Coach an der IPC Akademie in Zürich musste die diplomierte Pflegefachfrau abrupt abbrechen. «Ich hatte einen psychischen Zusammenbruch und war nicht mehr in der Lage, die Akademie weiter zu besuchen», sagt die 27-Jährige. Auslöser war ein Trauma. «Ich wurde Opfer sexueller Gewalt.»

Während ihrer Lehrzeit als medizinische Praxisassistentin vor rund zehn Jahren beging ihr Chef immer wieder sexuelle Übergriffe an ihr. «Dabei sperrte er mich auch ein und schlug mich», sagt R. Auch habe er sie gestalkt und ihr gedroht, ihr etwas anzutun, sollte sie jemandem davon erzählen. Ihr blieb nur übrig, den Lehrbetrieb zu wechseln. Als sie im Frühling 2021 vom Suizid ihres ehemaligen Chefs erfuhr, begann sie, zunehmend Traumasymptome zu entwickeln, die sich während der Ausbildung verstärkten.

Einschränkungen in Konzentration

Da R. nicht mehr in der Lage war, die Akademie weiterhin zu besuchen, bat sie diese, ihr die bereits bezahlten Ausbildungskosten von rund 3200 Franken für die nicht mehr bezogenen Kurse zurückzuerstatten.

In einem Schreiben an die Akademie, das ZüriToday vorliegt, begründet R.s Psychotherapeutin die Bitte mit einer akuten Verschlechterung der Symptomatik. Die Symptomatik verunmögliche einen Schulbesuch gänzlich, da beträchtliche Einschränkungen in der Aufmerksamkeitslenkung, Konzentration und Belastbarkeit vorlägen. Zudem kämen mit der Krankschreibung auch finanzielle Belastungen als Folge auf sie zu. «Eine Rückerstattung der bezahlten Ausbildungskosten würde die aktuelle Belastungssituation massgeblich entschärfen», schliesst die Psychotherapeutin das Rückerstattungsgesuch.

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Angebot, Ausbildung nachzuholen

Bei der Akademie trifft die Bitte um Rückerstattung aber auf taube Ohren. Stattdessen beruft sie sich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der IPC Akademie. Diese halten fest, dass bei Abbruch der Ausbildung die absolvierten Ausbildungen zum Einzelpreis sowie eine Bearbeitungsgebühr von 200 Franken in Rechnung gestellt und mit den geleisteten Zahlungen verrechnet würden.

Ganz kalt lässt die Lage der Studentin die Akademie aber nicht. «Ob Frau M.R. die begonnene Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt weiterführen oder nochmals neu aufnehmen kann oder nicht, ist aus Sicht der Akademie offen», schreibt der Rechtsvertreter der Akademie.

Ihr Angebot bleibe bestehen, fährt der Rechtsvertreter fort. «Wir haben uns in dieser Angelegenheit von Anfang an kulant gezeigt und sind das weiterhin.» Die Akademie habe ihr kulanterweise angeboten, die Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen oder – falls gewünscht – diese nochmals von vorne zu beginnen. Frau R. habe das Angebot jedoch abgelehnt und eine Rückerstattung verlangt.

«Erlebtes hat mich derart erschüttert»

M.R. findet jedoch, dass die Reaktion nicht zum Programm der Schule passe. «Es macht mich traurig, dass eine Schule, die Menschen in psychischer Gesundheit ausbildet, so reagiert, wenn es einmal einer Schülerin selber schlecht geht», sagt sie kopfschüttelnd.

Das Angebot ist für R. zudem ein Reinfall. «Auch nach erfolgreichem Abschluss könnte ich nicht als Mentalcoach arbeiten, da mich das Erlebte derart erschüttert hat», sagt sie.

*Name der Redaktion bekannt.

veröffentlicht: 10. März 2023 05:57
aktualisiert: 10. März 2023 06:45
Quelle: ZüriToday

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