Menschenhandel, Vergewaltigung, Sex mit Kindern

Loverboy-Prozess in Winterthur: Haupttäter zu fast 9 Jahren Haft verurteilt

8. Juli 2022, 16:38 Uhr
Der heute 21-jährige Mann soll seine minderjährige Freundin zum Sex mit seinen Kollegen gezwungen haben. Das Urteil wird am Freitagmorgen vom Bezirksgericht Winterthur erwartet. Angeklagt ist der junge Mann unter anderem wegen Menschenhandels und Vergewaltigung.
Ein 20-Jähriger steht am Freitag vor dem Bezirksgericht Winterthur. Er soll seine Minderjährige Freundin zum Sex mit Kollegen gezwungen haben. (Symbolbild)
© ACT212
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Das Bezirksgericht Winterthur hat am Freitag einen heute 21-jährigen so genannten «Loverboy» zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Er hatte ein zwölfjähriges Mädchen seinen «Bros» für Vergewaltigungen zur Verfügung gestellt.

Für das Gericht war klar, dass der Sex zwischen dem Mädchen und den «Bros» nicht freiwillig war. «Sie haben das alles organisiert und befohlen», sagte der Richter zum Verurteilten. Es gebe keinerlei Zweifel an den Aussagen des heute 17-jährigen Opfers.

Kein Zweifel für Gericht

Das damals zwölfjährige Mädchen sei unsterblich in den vier Jahre älteren Jugendlichen verliebt gewesen und habe alles für ihn gemacht. Dieses Machtgefälle habe der Verurteilte zwar nicht aktiv geschaffen. Aber er habe es rasch erkannt und für sich und seine Kollegen ausgenutzt, sagte der Richter weiter.

Während der Verhandlung behaupteten der «Loverboy» und seine sechs Freunde, dass das Mädchen immer freiwillig mitgemacht habe und sie «doch alle miteinander Spass gehabt» hätten. Vor Gericht stünden sie nur, weil es in seinem Umfeld nun nicht als Flittchen gelten wollte.

«Nur die Männer hatten Spass»

Das Gericht kam zu einem anderen Schluss, nur schon weil es von einer Massenvergewaltigung ein Video gibt, «das wir uns leider ansehen mussten», sagte der Richter. «Man sieht auf den Aufnahmen genau, dass das Opfer keineswegs mit Vergnügen und Lust dabei war. Die einzigen, die hier Spass hatten, waren die Männer.»

Als die Männer ihren Orgasmus hatten, liessen sie das Mädchen auf dem Boden liegend zurück. Dort wartete es alleine, bis frühmorgens der erste Zug fuhr und sie nach Hause konnte. Der Richter bezeichnete dieses ganze Verhalten als «absolut niederträchtig».

Fünf Jahre Kontaktverbot

Neben der Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten verhängte das Gericht für den Haupttäter auch noch eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen von 30 Franken. Zudem muss er dem Opfer eine Genugtuung von 50'000 Franken zahlen und darf fünf Jahre lang keinen Kontakt zu ihm haben. Wegen Fluchtgefahr bleibt er in Sicherheitshaft.

Eine Massnahme für junge Erwachsene, wo er eine Lehre hätte machen können, hielt das Gericht nicht für zielführend. Der Verurteilte verweigere jede Mitarbeit. «Das ist nicht nur schade, sondern auch nicht besonders intelligent.» Nun muss er ins «normale» Gefängnis.

Mädchen musste Familie bestehlen

Der Sexualstraftäter wurde wegen 16 einzelnen Straftatbeständen verurteilt, die gravierendsten sind Menschenhandel, Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern. Verurteilt wurde er aber auch wegen Vermögensdelikten: Innerhalb von zwei Jahren brachte er das Mädchen dazu, von seiner Familie insgesamt 15'000 Franken zu stehlen. Brachte sie ihm kein Geld, schlug er sie zusammen.

Einmal gab sie ihrem «Freund» deshalb das Feriengeld der Familie, rund 1000 Franken. In anderen Fällen musste sie mit ihm Kleider und Schuhe shoppen gehen, wobei sie die Kreditkarte der Mutter nutzte.

Freiheitsstrafen für die «Bros»

Verurteilt wurden am Freitag auch seine sechs «Bros», also seine Freunde, denen er das Mädchen «zur Verfügung stellte». Die drei, die zum Zeitpunkt der Vergewaltigungen selber noch minderjährig waren, verurteilte das Gericht zu bedingten Freiheitsstrafen zwischen neun und zwölf Monaten.

Die drei, die beim Missbrauch der Zwölfjährigen schon volljährig waren, müssen hingegen ins Gefängnis. Sie wurden zu unbedingten Freiheitsstrafen zwischen 3 Jahren und 10 Monaten und 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Diese drei Täter erhielten zudem ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen.

117'000 Franken an die junge Frau

Zwei von ihnen werden zudem für sieben, respektive acht Jahre des Landes verwiesen. Das Gericht verurteilte die «Bros» unter anderem wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Handlungen mit Kindern. Sie alle hätten gewusst, dass das Mädchen nicht freiwillig mitmache, sagte der Richter. «Und auch wie jung es ist.»

Die sieben Verurteilten müssen der jungen Frau insgesamt 117'000 Franken Genugtuung zahlen.

Der Fall in Winterthur ist ein drastisches Beispiel der so genannten «Loverboy»-Missbrauchsform. «Loverboys» sind Männer, die Mädchen oder Frauen, die in sie verliebt sind, manipulieren, abhängig machen und ausbeuten. Häufig drängen sie die Opfer zu Sex mit anderen.

(sda)

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 8. Juli 2022 11:33
aktualisiert: 8. Juli 2022 16:38